Hallo Punkt3,
Deine Zeilen zu lesen, hat mich sehr berührt.
Auf Deine klaren und direkten Fragen, will ich ebenso antworten:
Ja, Du darfst wütend auf Deinen Bruder sein!
Würdest Du Dir Deine Gefühle nicht gestatten, weil er ja krank ist und nichts für sein Verhalten kann,
wäre das aus meiner Sicht widernatürlich und ungesund. Das wäre weder Dir, noch ihm hilfreich.
In einer manischen Phase ist der Erkrankte "nicht bei Verstand", d.h. sein gesunder Menschenverstand ist ausser Kontrolle. Manisches Denken hat eine Eigendynamik, die sich willentlich nicht steuern läßt. Je nachdem, in welchem Stadium die Manie sich befindet, läßt sie sich jedoch von aussen aus- bzw. abbremsen.
So jedenfalls war es bei mir.
Wenn ich in der Vergangenheit auch manisch über allem schwebte, haben mich klare, unmißverständliche Ansagen erreicht. Darauf reagieren konnte (wollte?) ich nicht. Und zugegeben, dass etwas bei mir angekommen ist, hätte ich nie. Im Rückblick kann ich das so schreiben, weil ich das meiste aus den Manien hinterher erinnerte.
In einer akuten Manie wird der Erkrankte getrieben durch eine kaum vorstellbare Energie.
Ich vergleiche das gerne mit einem Schneeball, der zunächst langsam einen Hang hinunter rollt,
immer schneller wird und als Lawine endet und alles unter sich begräbt.
Angehörigen kann ich in diesen Phasen nur zu einer für den Maniker klar erkennbaren, konsequenten Haltung raten,
mit direkten und unmißverständlichen Ansagen.
Hast Du schon mal in den Baum für Angehörige geschaut?
Es gibt von zyklothym einen sehr hilfreichen Beitrag bezüglich des Umgangs mit Manikern.
Zu dem von Dir angesprochenen Punkt "Krankheitsbonus":
Ich lasse ihn für mich nicht gelten und habe das zu keiner Zeit getan.
Auch als Erkrankte habe ich eine Verantwortung mir selbst und meinen Angehörigen gegenüber.
Der Zeitpunkt, ab dem ich die Verantwortung für das, was ich krankheitsbedingt verursacht hatte, übernehmen konnte,
war allerdings vom Verlauf des Genesungsprozesses abhängig. Es hat Jahre gedauert, mich körperlich, seelisch und
geistig von den Manien zu erholen.
Ich habe meine gesamte mühsam wiedergewonnene Kraft und Energie dazu gebraucht, um mich zu regenerieren.
Auf einen "normalen" Level war ich dann allerdings noch lange nicht.
Das ist vielleicht für Angehörige/Freunde am schwersten nachzuvollziehen und verstehen.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft und Durchhaltevermögen.
Alles Liebe und Gute!
Viele Grüße
Deborah
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Wer etwas will, sucht Wege.
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2-mal bearbeitet. Zuletzt am 05.01.18 06:53.