Hallo Punkt3,
ich bin bipolar, ich war nie im Gefängnis. Ich hätte aber manchmal, von meinen Exkursionen her, scheinbar sogar das billigend in Kauf genommen.
Doch nun zu Deiner wichtigen Frage nach der Wut auf ihn. Ja klar, warum auch nicht. Er hat durch sein Verhalten, sei es krankheitsbedingt oder sei es sein Charakter recht tüchtig für Unheil bei Deinen Eltern gesorgt.
Was anderes: Mein Vater war Alkoholiker. Ich
war es auch. Nee, Quatsch, ich bin es natürlich immer, genauso wie ich immer bipolar bin.
Ich bin aktuell seit ganz Kurzem dabei, von einem Alk-Rückfall zurück zu finden. Ich habe Familie. Eine kleine Exkursion ist bei mir kein lässiger Spaß. Das erschüttert richtig. Und natürlich waren alle sauer auf mich. Schließlich ging ich ja freiwillig Bier trinken. Bin dann freiwillig mit Restalkohol im Blut Auto gefahren. Und wollte mich dann, ganz erledigt, zu Hause erholen. Cool? Sei mal kurz nicht Deines Bruders Schwester. Sei mal kurz meine Tochter mit einem noch ganz frischen Führerschein. Und frage Dich, mich und sie, ob sie sauer, wütend und traurig sein durfte über mein
Fehlverhalten.
Kurz zurück zu meinem Vater. Er war in seiner trockenen Zeit lange bei AA. Er hat mir gewisse relativ unpoetische Sachen über das Trinken, das Saufen gesagt. Ich akzeptiere seither gar nicht mehr, wenn jemand
aus einem Grund an die Flasche geraten ist. Wer saufen will, tut das mit Absicht. Fertig. Und er lebt dann mit den Konsequenzen. Fertig II.
Was nu mit dem bipolaren Bruder. Bekam er die Krankheit, hat er sie gestartet, weil er sie wollte? Irgendwie ja. Und ich ahne, dass das hier Gemecker geben wird. Egal. Es ist meine Meinung. Lies über die Hintergründe von Bipo-Anfängen und versteh vielleicht, was ich meine. Kiffen ist für Menschen mit dieser Veranlagung z.B. ein Hoch-Risiko. Habe ich gekifft. Yes, Sir, I did it. Nicht viel. Langte aber scheinbar, um die ersten Phasen zu triggern. Danach lief die Kiste und war nicht zu stoppen. Sie ist seither nur noch mit viel Unterstützung, Verständnis, Medizin, guten Ärzten etc. zu begleiten. Der Kranke muss so oder so zur Krankheitseinsicht finden, zum Arzt gehen, und Schluss ist es mit der wilden Fahrt. Regeln gelten ab da dann.
Belohnung: normales erfülltes Leben, wenn man das noch kann und schätzt.
Seit wütend auf ihn. Für Dich, für Deine Lebensqualität, und für die Rückmeldung für ihn. Letztere benötigt er derzeit sehr. Sie ist eines dieser kleinen Türchen, dass ihm u.U. zu eben dieser so nützlichen Einsicht verhelfen kann.
Eines noch: Wie gut, dass Du hier bist!
Genug für heute Nacht
Gruß B.
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Bipolar, Typ II, geb. 1965,
aktuelle Med.: seit Herbst 2021 ohne Medikation
früher Carbamazepin und zeitweise Quetiapin
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 05.01.18 02:23.