Hi,
mich hat schon die Frage an sich gestört, denn mehr als ein hoch provokativer Denkanstoß kann das nicht sein. "Segen" entspricht sehr vage auch "Geschenk" und eine Krankheit, bei der per Definition die Nachteile und Beeinträchtigungen massiv überwiegen, kann kaum also "Geschenk" wahrgenommen werden.
Hingegen gibt es diesen sehr richtigen Spruch:
Es gibt keinen Gewinn ohne Verlust und keinen Verlust ohne Gewinn.
Daran orientiert frage ich mich durchaus: ist mit dieser Krankheit irgend ein "Gewinn" in irgendeiner Form verbunden?
Das einzige, was ich da vielleicht sehe ist, dass ich dadurch mit einem weiteren Spektrum an menschlichen Empfindungen vertraut bin, als die mich umgebenden "Normalen". Ich kenne emotionale Extreme in beide Richtungen, ich kenne Formen der gesteigerten Euphorie bis hin zum Wahnsinn, ich kenne Tiefen der Empfindung bis hin zur Agonie.
Zugegeben, ich hätte gerne auf diese Erfahrungen verzichtet, ich habe sie aber gemacht.
Jetzt ist es aber meiner Erfahrung nach so, dass ich mich nur in Zustände anderer einfühlen kann, wenn ich diese selber in vergleichbarer Form erlebt habe. Wie soll ich Verliebtheit verstehen, wenn ich selber nie verliebt war? Ich denke, das funktioniert nicht.
Also wäre ich nach dieser Logik in der Lage, mich in ein deutlich größeres Spektrum an sonderbaren Verhaltensweisen und Befindlichkeiten anderer einzufühlen, als Nicht-Erkrankte. Das ist erweiterte Empathie. Und da ich immer die Welt verstehen wollte, was zu guten Teilen heißt, die Menschen zu verstehen, hätte ich durch meine Krankheit ein verbessertes Wekzeug in der Hand. Das wäre tatsächlich ein kleiner Vorteil, den mir die Krankheit zur Verfügung stellt.
Einen "Segen" würde ich das immer noch nicht nennen, aber es ist ein irgendwie willkommenes Abfallprodukt.
LG ........... Brickman