Re: Wie gehts nun weiter?

Wolfgang
11. 09. 2001 13:40
Hi Kathi,
erst mal Gratulation zu deinem mutigen Schritt und dessen Erfolg. Schuldmediziner werden dir deinen Erfolg natuerlich (noch) nicht bestaetigen - im Gegenteil, die sprechen sogar bei jemandem, der trotz manischer Disposition schon Jahre oehne Medikamente lebt, nur von einem "beschwerdefreien Interval". Lass' dich von solchen Aussagen nicht verunsichern, aber sei aufmerksam: beobachte deine Stimmungen und reagiere rechtzeitig. Bezueglich Manie ist und bleibt der wichtigste Punkt, sich auf taeglich mindestens 6 Stunden Schlaf oder Ruhe einzustellen.

Deine Frage "Wie soll es weitergehen?" ist sehr persoenlich und kann nur aus deiner Lebensperspektive beantwortet werden. Der eine findet den Sinn seines Lebens im Fussball, der andere in der Politik, ein dritter im Kloster und was es da sonst so noch gibt. Es geht also generell um die Frage nach dem Sinn des Lebens, die jeder nur individuell beantworten kann. Problematisch wird es, wenn du in der "normalen (materiellen) Welt" von heute nicht genuegend Dinge finden kannst, von denen du sagen kannst, dass sie dir den Sinn des Lebens geben: Arbeit, Kino, Gastronomie, Diskotheken, Sport, Natur, in Urlaub fahren und so weiter.

Ich rate dir, jetzt zwei Autoren zu lesen:

1) Ken Wilber "Halbzeit der Evolution"
2) Victor Sanchez: Die Lehren des Don Juan"

Ken Wilber erklaert die Welt auf der Basis der Wiedergeburt der Seele. Grob vereinfacht sagt er, dass die Seele ein Teil von Gott ist, der sich selbst in der Materie erfahren wollte und sich deshalb von Gott getrennt hat. Der Prozess der Evolution ist gemaess dieser Erklaerung, dass die Seele Erfahrungen in der Materie so lange wiederholt, bis sie ihrer ueberdruessig wird. So wird im Laufe von vielen Leben ein Aspekt der Materie nach dem anderen "abgehakt", bis schliesslich nichts mehr uebrig bleibt und die Seele sich wieder mit Gott vereinigt und nicht mehr in die Materie zurueckkehrt.

Ken Wilber schreibt in "Eine kurze Geschichte des Kosmos":

"So kommt es, dass diese Seele kaum etwas zu laecheln hat. An dieser Seele sind alle Troestungen verloren. Die Welt ist just im Augenblick ihres groessten Triumphs fade geworden. Das praechtige Festmahl ist gekommen und gegangen, und der Schaedel grinst stumm ueber die ganze Angelegenheit. Das Fest ist ephemer und bleibt es in seiner groeszten Herrlichkeit. Die Dinge, mit denen ich einst soviel Sinn, soviel Verlangen und soviel gluehende Hoffnung verbinden konnte, haben sich in Luft aufgeloest, haben sich irgendwann in der langen und einsamen Nacht verfluechtigt. Wer will mein Lied der Freude und Verzueckung hoeren? Wer hoert meinen Hilferuf, den ich stumm in diese finstere und hoellische Nacht schicke? Wo finde ich die Kraft, um den Schwertern und Spiessen zu widerstehen, die taeglich meine Seite durchbohren? Und warum sollte ich dies ueberhaupt versuchen? Wird nicht alles zu Staub, und wo bin ich dann? Kampf oder Unterwerfung - es spielt nicht die geringste Rolle, denn die Hoffnungen meines Lebens verdaemmern still in einer Agonie der Verzweiflung.

Dies ist eine Seele, fuer die alles Begehren schal geworden ist. Es ist eine Seele, die das Dasein mit kalten Augen betrachtet und es gruendlich satt hat. Es ist eine Seele, fuer die das Personale vollstaendig flach geworden ist. Es ist, mit anderen Worten, eine Seele an der Schwelle zum Transpersonalen." ... (Seite 255/256)

Die Welt um uns herum ist schlimm - daran kann kein Zweifel bestehen. Die Tatsache, dass korrupte und groessenwahnsinnige Politiker ueberall auf der Welt das Sagen haben, ist unbestreitbar. Jeder, der das alles sieht und seine eigne Ohnmacht hinnehmen muss, bekommt zwangslaeufig psychischen Druck. Krank zu werden und Pillen zu schlucken kann nicht die Loesung sein. Aber was dann? Ich gestehe, dass ich auf diese Frage keine klare Antwort geben kann. Mir scheint, als ob uns nichts andereres uebrig bleibt, als den Kampf jeden Tag neu aufzunehmen und nach vorn ins Ungewisse zu gehen und darauf zu vertrauen, dass die Kraft ueber uns jedem von uns seinen individuellen Weg zeigen wird. Immerwaehrendes Glueck ist in der Materie nicht zu finden, so koennen wir nur hoffen, dass diese Stimmung, die wir "Depression" nennen, das Tor zum Transpersonalen ist.

Ich wuensche dir, liebe Kathi und natuerlich auch allen anderen, die das hier lesen, viel Kraft und den Mut positiv in die Zukunft zu gehen.

Wolfgang
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Wie gehts nun weiter?

Kathi 4284 10. 09. 2001 20:26

Re: Wie gehts nun weiter?

Wolfgang 830 11. 09. 2001 13:40

Re: Wie gehts nun weiter?

Wolfgang 818 11. 09. 2001 16:37

Re: Wie gehts nun weiter?

Birgit 3371 12. 09. 2001 15:29



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