Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Michael
22. 04. 2002 21:13
Hallo Bettina,

du hast mir mal so sehr geholfen bei einem sehr heiklen Thema von mir und nun nehme ich mir einfach die Zeit dir zu antworten, auf dienen Hilfeschrei und hoffe dir neue Gedankenansätze geben zu können.

Du sagst, "ich lebe noch, ja, zum glück, für meinen Mann."

Das sagt schon sehr viel aus über deinen Zustand, denn, wenn dein Mann nicht wäre würdest du nicht mehr leben wollen. Du gibst dich selber auf und das ist ein Resultat dieser ständigen Gefühlsschwankungen, die diese verfluchte Krankheit mit sich bringt.

"... diese person macht es, zum glück für mein dasein,
auch möglich, daß ich mich nicht endgültig von
dieser welt verabschiede."

Dies ist eine sehr hohe Verantwortung die du deinem Partner gibst und ich hoffe er kann damit auch umgehen.

Es ist ungeheuer wichtig, das du dir selber wieder diesen Zuspruch gibst. Du bist müde, müde von der ständigen Auf und Ab Situation, sie laugt dich aus, du fühlst dich schwach.

"...mir das wenige, das ich mir mühsam
über die jahre aufgebaut habe und mir meine exitenz-
berechtigung gibt, zerstören, vernichten.
meine einzige liebe, meine arbeit."

Wie ich diesen Satz kenne und er spiegelt so viel wieder, der hohe Leistungsanspruch den du hast. Du definierst dich über die Leistung und bist von der Arbeit so Abhängig geworden.

Es zerstört uns was wir so lieben.

Aber warum ist es den so, versuche dies mal zu hinterfragen. Warum müssen wir uns den von anderen Menschen immer Abhängig machen, warum geben wir uns denn immer nur eine Existenzberechtigung wenn wir was leisten und funktionieren.

Du merkst, auch hier hat es was mit dem Zuspruch zu tun, den du dir selber nicht gibst. Du brauchst die Bestätigung auf der Arbeit damit du leben darfst.

"...fühle nichts mehr außer schmerz.
ich hab´ angst ich werd 'verrückt'. mein mann kümmert
sich aufopfernd um mich, doch ich weise ihn zurück,
sag´ ihm er soll gehn, er wird sonst noch mitgerissen
in den abgrund"

Das verhalten kenne ich nur zu gut, Hilfe anzunehmen ist so unendlich schwer. Macht es doch einen Bewusst, in welcher Lage man sich befindet. Du marterst dich dafür, fühlst dich verantwortlich und hast Angst mit der zerstörerischer Kraft, die in dir ist, das zu töten, was dir doch am aller wichtigsten ist.

Und hier ist es auch am allerschlimmsten für unsere Angehörigen, sie können es nicht verstehen, welcher Schmerz in uns ist und wir in dieser Ausnahmesituation nichts mehr für uns fühlen. Wir können dann die Hilfe nicht annehmen, es geht nicht, das hat nichts mit der Person zu tun, sondern einfach mit der Angst.

Und hier siehst du, das es das beste ist sich von außenstehenden helfen zu lassen. Von Personen, wo du keine emotionale Bindung hast, wo du die ?Leistung? ohne Verpflichtungen und Schuldgefühle annehmen kannst.

"...doch geht er wirklich, und sei´s nur
ins angrenzende zimmer, weil er nicht mehr weiß, was
er tun soll, bekomme ich furchtbare panik, fühl mich
total verloren, scheiße,..."

Die Ohmacht zu sehen, die dein Mann erleben muss, verschlimmert deinen Zustand sogar. Somit hat die Aufopferung deines Mannes sogar was kontraproduktives und das kann ein Angehöriger am wenigsten verstehen.

"...ich hab´ fast keine kraft mehr zu
kämpfen, fühl´ mich so unendlich schuldig, weil es
mir schlecht geht, hasse mich so sehr dafür, hasse
es, wenn ich um hilfe bitten muß..."

Schuldbewusstsein ist nichts löbliches bei unserer Krankheit, sich auch für alles nur erdenkliche schuldig zu sprechen, was in einem steckt, ist die Schleife die dich ganz nach unten zieht. Hier sind es die Tugenden die uns in der Erziehung eingeprägt wurden, die uns nun schaden. Wir richten den ganzen Hass gegen uns selber, wir sind ja schuldig und haben somit ja kein Recht mehr, auf einen anderen Hass zu haben.

"...ich habe so unendlich große angst vorm tod,
und möchte andererseits nicht mehr leben. patstellung..."

Jetzt ist es an der Zeit wieder an Lebensqualität zu gewinnen, nicht in dem du dienst und versuchst dich wieder mit den von dir gewohnten Methoden aus dem ?Dreck? zu ziehen. Du brauchst Hilfe und die Hilfe hast du dir in deinem Leben schon 1000 mal verdient.

Diese Pattstellung soll ein Ende haben, kein Mensch kann sie lange ertragen. Dies verursacht die unendliche Traurigkeit deines seins. Sie verändert deine Wertigkeit zur eigenen Person (negativ) und verzerrt die Wahrnehmung, du kannst keine Freude verspüren.

"...weißt Du, wenn ich nur weinen könnte, über mich ..."


Das Gefühl in dir zu dir ist erloschen, du fühlst den Schmerz ohne die Gefühle ausbrechen zu lassen, ein Zeichen der Resignation, lass dir helfen, es ist wichtig für dich.

"...und plötzlich merke ich,
wie scheußlich ich zu mir bin, ich schreie mich innerlich
an, - reiß Dich zusammen, Du mitleiderregende kuh, Du
undankbare kranke, ist doch lächerlich..."

Du machst dich fertig, hast ein absolut schlechtes Bild von deiner eigenen Person. Du magst dich nur wenn du funktionierst. Lass dir zeigen das du auch ein liebenswerter Mensch bist, wenn du einfach nur da bist. Dein Charme und die Natur deines Wesens ist es, die Menschen an dir lieben und nicht die Tatsache, das du was leistest. Du musst nicht den doppelten Salto schlagen um geliebt zu werden, nur dies ist nicht mehr in deinem Kopf, wegen der vielen Gedanken die sich nur um das nicht funktionieren drehen. Aus dieser spirale musst du dich befreien lassen.

"...bräuchtest nur
was tun, dagegen,...- und eigentlich verliere ich die
letzte kraft, den letzten lebenswillen..."

Und nun gibst du dir wieder die Schuld, an deinem Zustand selber nichts zu machen, Quatsch und du weißt es, die Seele und der Geist sind es die uns lahm legen und das hat seinen Grund, den du nicht zu verantworten hast.

Dies zu erkennen, können nur Fachleute, Außenstehende die dich ernstnehmen und verstehen.

Ich wollte nur versuchen dir an deinen eigenen Worten darzulegen, wie fatale Auswirkungen kleine Sätze in unsere Seele haben, es ist an der Zeit was dagegen zu tun.

Es sind nicht nur Medikamente die helfen, nein, sein Verhalten zur Leistung muss überdacht werden und zu den waren Werten des Lebens eine neue Einstellung gefunden werden, ein Weg der dich zu dir finden lässt und auch glücklicher werden lässt.

Der Weg ist das Ziel, versuche es und du gewinnst an Lebensqualität.

Ich wünsche Dir alles Gute und bin bei dir, hier im Forum und im Geiste.


Du schaffst es, weil du es dir Wert bist.


Dein Michael
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

ich versteh mich/uns nicht mehr

bettina 751 17. 04. 2002 18:17

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Mona 197 17. 04. 2002 18:30

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

bettina 197 17. 04. 2002 22:10

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Maria 215 17. 04. 2002 19:37

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Ulli 212 17. 04. 2002 19:57

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Babsi 199 18. 04. 2002 09:24

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Birgit 38 174 19. 04. 2002 08:51

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Suraya 205 19. 04. 2002 15:46

Re: ich versteh mich/uns nicht mehr

Michael 505 22. 04. 2002 21:13



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