Diagnose: Beziehungsunfähig

Michael
10. 03. 2002 11:30
Diagnose: Beziehungsunfähig
(Erfahrungen eines manisch depressiven Menschen)


nun sitze ich hier und denke über mich nach, höre Barry White (softe Musik) und fühle eine unendliche Einsamkeit.

Die Krankheit bringt es mit sich, das Gefühle schwanken und nach einer Episode von auf und ab?s wieder mal in einem Zustand verfalle, wo ich mich einfach nur erschöpft fühle.

Dieser Erschöpfungszustand birgt immer Gefahren, da nun ein absinken in die Depression droht.

Die Gedanken sprudeln nur so herum und ich gehe die Spirale nach unten, es liegt an mir, wie tief ich diese Spirale gehe und sie mit Entspannung unterbreche.

Diagnose: Beziehungsunfähigkeit:

Nun ist es ein Jahr her, wo ich in die Psychiatrie gelandet bin und dort die Möglichkeit hatte vieles über mich zu erfahren, positives und ernüchterndes.

Mein Selbstbild, die Wahrnehmung meiner eigenen Person ist durch die Achterbahnfahrt der Gefühle oftmals verzerrt und mir ist klar geworden wie wichtig es ist zu erfragen wie man wahrgenommen wird.

Warum ich krank geworden bin ist nicht die Arbeit, nicht Stress und auch nicht die Tatsache ungerecht behandelt zu werden, nein, mein Hauptthema ist die Beziehungsunfähigkeit.

Ich habe gelernt Beziehungen in folgenden Kontext zu setzen:

Beziehungen in der Arbeitswelt
Beziehungen innerhalb der Familie
Beziehungen zu Frauen
Beziehungen zu Freundschaften
Beziehung zu mir selber

Und die daraus folgenden Spannungen und Belastungen sind die Auslöser für meine seelischen Probleme manisch oder depressiv zu sein.

Jeder von euch kennt diese Reise in das innere seiner selbst, diese unentwegte Auseinandersetzung, diesen Kampf der eigenen Person.

Wie oft habe ich schon versucht mich vor dieser Auseinandersetzung mit übertriebenem Aktionismus zu entziehen, einfach manisch zu werden, vermessen zu sein.

Wie oft schon hänge ich mich an die Symptome und nicht an den wesentlichen Punkt auf, sich vor der Erkenntnis zu drücken.


Ja ich habe ein Problem mit Beziehungen, ja ich bin Beziehungsunfähig.

Diese Diagnose ist zerschmetternd und ich wollte sie lange Zeit nicht wahr haben und jedes Mal wenn ich an diesen Punkt gekommen bin habe ich mich heftig gewehrt.

Das bedeutet ja auch, mit sich alleine zu sein und mit sich auszukommen.

Habe jeden verflucht, der mir dies vorgehalten hat ob nun

Freunde
Partner
Psychiater
oder Gruppenmitglieder in einer Klinik

Immer dann wenn mir klar wurde, das ich hier ein echtes Problem habe bin ich ganz tief gesunken weil all mein Verhalten und die damit gekoppelten Gefühle zu hinterfragen sind, schnell wurde das Gefühl der Ohmacht übermächtig.

Erst jetzt, ein Jahr nach dem Zusammenbruch, dem Tag X, wo ich mich in der Klinik begeben habe traue ich mich heran diese Diagnose zu verstehen.

Ich erkenne das ich im wesentlich ein Problem mit mir selber habe, das ich mich nicht lieben kann. Sich lieben, heißt nicht sich selber verwöhnen zu können, nein es bedeutet sich so zu akzeptieren wie man ist.

Erst dann, wenn man sich selber lieben kann ist man in der Lage zu lieben und Beziehungen bewusst einzugehen und die Beziehungen die einem aufgedrängt werden besser und stabiler zu begegnen.

Die Feststellung meine Frau nicht zu lieben und die 48 Beziehungen mit Frauen, die ich seit meinen 15ten Lebensjahr hatte, waren alles andere als wahre Liebe.

Meine Beziehungen scheitern immer an mir selber, oder den Handlungen und Taten die ich vollziehe.

Es wird Zeit diese Kapitel zu schließen und mit einer geläuterten Einstellung Beziehungen besser zu gestalten.

Dies setzt voraus, das ich mit mir ins reine komme und die Beziehung zu mir selber betrachte.

Sein Selbstbild sich klarmachen und zu fragen wie man gesehen wird. Es nützt nichts sich in die stille Kammer zu bewegen und darüber zu grübeln, nein, ich muss hervortreten und über mich sprechen.

Aufhören ein fremdes Bild über mich zu zeichnen und unnötige Kraft opfere dieses fremde Bild in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten.

Endlich mit diesem Selbstbetrug auf zu hören.

Woher diese Beziehungsunfähigkeit ?

Es ist mir schon in die Wiege gelegt worden, wie ich mich gegenüber Beziehungen zu anderen Menschen verhalte. Im Erziehungsprozess habe ich viele Eigenschaften übernommen die gut sind aber auch schlechte Eigenschaften beinhalten.

Meine Eltern hatten nie ein selbstsicheres inneres Verhältnis zur eigenen Person und waren immer darauf aus, in der Öffentlichkeit gut dazustehen.

Diese Ansicht und Einstellung ist eine zu große ?Fähigkeit? sich anzupassen und nicht seinen Standpunkt bis zu letzt zu vertreten.

Hier beginnt der Selbstbetrug, sich nach Konflikten die Welt schön zu reden, wenn man wieder ohne Überzeugung einen Standpunkt aufgegeben hat, immer nach dem Motto ?was soll es? Hauptsache ich habe meine Ruhe.

Meine Harmoniesucht habe ich von meiner Mutter übernommen, somit bin ich in meinen Beziehungen zu Frauen keine Konflikte eingegangen und habe immer nach dem Wille des Anderen gehandelt.

Daher auch diese Unzufriedenheit nach einem Streit und die innere Abkehr.

Natürlich habe ich mir mein ?Recht? wiedergeholt, aber nie direkt und zeitnahe und Befriedigung in einem Schattendasein gesucht.

Wenn man sich an den Selbstbetrug gewöhnt, entsteht dieses unglaubliche schlechte Gefühl zu eigenen Person, dieser Frust und eine unmense Wut gegen sich selber die bis in den Freitod führen kann.

Welchen Menschen kann man denn trauen wenn man sich selber nicht traut.

Ein Teufelskreis beginnt, der schließlich zu meiner Erkrankung geführt hat.

Wenn das Selbstbild Ersteinmahl zerstört ist und sich Minderwertigkeitsgefühle breit machen, ja dann wird man abhängig von dem Zuspruch anderer Menschen.

Dies hat bei mir dazu geführt, das ich immer nach dem Zuspruch von Frauen gesucht habe um mich besser zu fühlen. Eine Frau zu erobern war für mich immer das größte und so blöd es auch klingt, darüber habe ich mich definiert.

Dies führte immer zu Beziehungsprobleme und vorschnellen Trennungen.

Ich gab mir auch immer die Schuld an allem, auch eine Methode um keine Konflikte einzugehen und sich nicht mit Menschen auseinander zu setzen und irgendwann spricht man sich selber ?heilig?.

Nach 48 Beziehungen mit Frauen verliert man das Gefühl, was es bedeutet richtig zu lieben.

Nur noch die Symptome werden gesehen und die Art ob man liebt daran gemessen ob ich treu oder mal wieder untreu war. Ich bin so abgestumpft das ich immer nur noch Beziehungen eingehe wo ich nicht Liebe.
Denn Liebe bedeutet ehrlich zu sich selber zu sein, schmerzen zu ertragen und Verzicht zu üben. Abneigungen zu ertragen sich auseinander zusetzen.

Mal sehen was die nächste Manie wieder mit sich bringt
(ha ha ha).

Sorry, ich zeichne mich nun mal wieder etwas düster und unterbreche nun die Spirale der Selbstzerstörung.

Ich kann Lieben, aber nun ist etwas schlimmes eingetreten, meine Krankheit beeinflusst nun wie ich liebe, wie ich mit Menschen umgehe.

Manisch:

Von sich überzeugt, stark und selbstsicher und somit sich selber genug sein.
In dieser Phase hat man den größtmöglichen Zuspruch von außen, aber in stillen Stunden wird einem klar das man sich entfremdet.

Depressiv:

Unsicher und Abhängig. Anlehnungsbedürftig und indirekt fordernd (nach liebe schreiend).
In dieser Phase bin ich liebesbedürftig und sauge die Kraft aus dem Partner heraus.

Normal:

Ein Zustand den ich selber nicht einschätzen kann, ich fühle mich dann meistens depressiv. Will mit aller Macht wieder ?Stark? sein. Unvermessenheit beginnt.

All das führt dazu objektiv gesehen Beziehungsunfähig zu sein. Also bedeutet gesünder zu werden gleichzeitig auch beziehungsfähiger zu sein.

Es bedarf einen langen Weg um zu sich zu finden und ich hoffe eines Tages zu meinem Glück zu finden und einen Menschen zu finden dem ich all das erzählen kann und der bereit ist mit mir diesen langen Weg zu gehen.

Aber eins ist mir klar geworden, ich muss diesen Weg anfangen zu gehen und kann nicht auf starke Schultern zum anlehnen hoffen, dies macht kein Mensch mit und kann auch keine Beziehung überleben.

Was denkst du, was sind deine Erfahrungen.
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Diagnose: Beziehungsunfähig

Michael 23201 10. 03. 2002 11:30

Re: Diagnose: Beziehungsunfähig

Suraya 2677 10. 03. 2002 13:24

an Suraya

Michael 2005 10. 03. 2002 14:48

Re: Diagnose: Beziehungsunfähig

katrin 3099 11. 03. 2002 12:15

Erkenntnis ist der eine Schritt

Michael 1534 11. 03. 2002 13:41

Re: Erkenntnis ist der eine Schritt

katrin 1375 11. 03. 2002 23:02

Befangenheit

Michael 1370 12. 03. 2002 01:32

Re: Befangenheit

katrin 1255 13. 03. 2002 22:27

Re: Befangenheit

Wolfgang 1266 14. 03. 2002 16:19

Re: Befangenheit

Michael 1060 15. 03. 2002 21:22

Re: Befangenheit

katrin 1030 16. 03. 2002 15:04

Re: Diagnose: Beziehungsunfähig

Matthias 1905 13. 03. 2002 16:13

Re: Diagnose: Beziehungsunfähig

Kerstin 1604 16. 03. 2002 08:08

Re: Diagnose: Beziehungsunfähig

Birgitt 1300 26. 03. 2002 11:53

Re: Diagnose: Beziehungsunfähig

Michael 1513 27. 03. 2002 11:17



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