Der Weg

Albert Keim
31. 12. 2001 17:17
Lang war der Weg. Erst hieß es für mich, den Ausweg aus der tiefen, dunklen Höhle finden. Als ich endlich heraustrat, stieg ich über steile Berge, überquerte tiefe Schluchten und reißende Ströme. Dann bestieg ich das Pferd Hypomania und es ging scheinbar mühelos vorwärts; ich war frohgemut, bis mir die Menschen am Wegrand zuriefen: "Dein Pferd ist aber schnell!" Da merkte ich, dass ich die Zügel zu locker hielt und nahm sie straffer. Sonst hätte Hypomania sich in ein wildes Pferd verwandelt und mich beim Überqueren eines Flusses in den Strudel gerissen.
Jetzt bin ich wieder zu Fuß. Vor mir liegt eine Stadt im Tal. Ich habe mir schon einige Zeit das Treiben der Menschen aus der Ferne angesehen und mir Gedanken gemacht, sie auf Papier geschrieben und dem Rat der Stadt übersandt. Aber sie trauen mir nicht recht. Zu gut ist den Ratsmitgliedern bekannt, dass ich lange, sehr lange in der Höhle war und dass mein Pferd zweimal fast durchgegangen wäre.
So stellen sie mir die Prüfung, wie sicher ich eine Schwelle überschreiten kann. Ich fühle mich allein und weiß, dass alle auf mich blicken. Sie wissen von meinen Rutschpartien auf vereisten Straßen, sie wissen, dass ich früheren Zeiten auch mal voller Angst mit dem Strom geschwommen bin und vergleichen das mit dem Verhalten in den letzten Jahren, als ich oft mitten im Strom gearbeitet habe und in Gefahr war, vom Hochwasser abgeschwemmt zu werden und zu ertrinken. Da musste ich mich ans Ufer retten und wurde mir bewusst, dass ich in diesem Strom eigentlich störend auf den geordneten Abfluss wirkte.
Aber jetzt soll ich zögern, wo ich mich am Ende der Reise sehe, wo es nur darum geht, eine Schwelle zu überschreiten? Es ist die Schwelle, die mich für einen Schritt von der Gesellschaft der Menschen trennt. Draußen heißt es beobachten und ausgeschlossen sein. Drinnen auf der anderen Seite der Schwelle heißt es, teilnehmen und sich einbringen.
Îch habe auf meiner Reise und bei der Arbeit im Strom gelernt, Angst zu überwinden. Einfach nach vorne gehen, nach dorthin, wo der Abgrund gähnt. Manchmal war es nervig, richtig stressig, aber ich hatte viel Glück, konnte mich meistens in einen Winkel zurückziehen und den Wirbelsturm an mir vorüberziehen lassen. Jetzt kann ich meine Lage in Ruhe überschauen und den nächsten, den entscheidenden Schritt planen. Heute nacht werde ich darüber schlafen und dann den Tag bestimmen, an dem ich vor den Rat der Stadt trete.
Rutschpartien?
Ich wünsche den Besuchern im Forum, dass sie Glatteis umgehen, einen festen Boden und ihren Weg finden können.
Albert
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