Depression und Leistungsgesellschaft

Uwe
02. 08. 2002 22:57
Im Internet gibt es eine homepage (Berlin-polis Umfrage), die einen Wissensquiz zum Thema "Depression" durchführt. Dabei ist auch die Frage, ob die heutige Leistungsgesellschaft an der Entstehung von Depressionen beteiligt ist. Meine Antwort "Ja, ganz sicher" wurde abgestraft. Stattdessen war die richtige Antwort: Nein, nur bedingt.
Ich habe mich daraufhin per email an die Initiatoren gewandt:
"Liebe Frau Hohmann,
ich habe inzwischen die Auswertung erhalten. Man escheinigt mir durchschnittliches Wissen über die Volkskrankheit "Depression". Richtig
geschockt, war ich allerdings über die als richtig bewertete Antwort zur Frage, ob die heutige Leistungsgesellschaft für Depressionen zuständig
seien. Ihre Antwort lautet eindeutig "Nein". Da bin ich ganz anderer Meinung. Einen entsprechen Beitrag im Fernsehen (ich glaube es war der NDR) habe ich mit Interesse verfolgt. Dort wurde ganz unzweifelhaft ein Zusammenhang mit der Zunahme der Depressionen und der
Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation festgestellt:
Immer mehr Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Das macht sie krank. Wenn sie die Arbeitslosigkeit erwischt, werden sie noch depressiver. Sie müssen mit weniger Geld auskommen. Ihr Leben wird ärmer. Man hat den Zusammenhang zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und Dreppession nicht nur
vermutet. Die Forderung, die Depression interdisziplinär zu untersuchen, wird aber bisher noch verweigert. Dabei wäre es so wichtig, daß Soziologen und Psychologen dem Problem näher rücken. Aber nachdem ich festgestellt habe, daß Ihr Kompetenznetz von einem riesigen Farmakonzern gesponsert wird, zweifel ich doch ein wenig an der
Ernsthaftigkeit Ihrer Bemühungen. Vielleicht äußert sich Ihr Diskussionsleiter einmal im Rahmen des Forums zu
diesem Thema.
Mit freundlichen Grüßen

Antwort:
"Vielen Dank für Ihre kritische Rückmeldung zum Wissensquiz. Sie haben Recht, dass man die Frage nach der Entstehung von Depressionen sehr unterschiedlich sehen kann. Das Wissensquiz vertritt hier vielleicht in
diesem Fall einen sehr stark "biologisch" geprägten Standpunkt.

Bis heute ist unklar, wie psychische Erkrankungen genau entstehen. In der Wissenschaft geht man derzeit davon aus, dass viele verschiedene Aspekte bei der Entstehung eine Rolle spielen können. Dazu zählen z.B. Stress, aber auch Verlusterlebnisse wie der Tod eines Angehörigen oder
die Trennung von einem Partner. Auch biologische Faktoren wie z.B. die Vererbung und Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns üben Einfluss aus. Nur das Zusammenwirken verschiedener Faktoren führt bei einem besonders disponierten Menschen zu einer psychischen Erkrankung.

Vor dem Hintergrund dieses "multifaktoriellen" Entstehungsmodells kann selbstverständlich auch die "Leistungsgesellschaft" eine Rolle spielen.
Wichtig ist aber aus unserer Sicht, dass eine monokausale Erklärung eine so komplexe Erkrankung wie die Depression nicht ausreichend erklären kann. Es gibt z.B. Patienten, die in einer Phase der Arbeitslosigkeit an Depression erkranken, ihre zweite depressive Phase trifft sie dann aber quasi "aus heiterem Himmel", d.h. ohne konkreten Auslöser.

Für Patienten kann es entlastend sein, wenn sie erfahren, dass Depression auch eine körperliche Seite hat, und eine Krankheit ist wie andere auch (z.B. Diabetes oder Asthma). Viele depressiv erkrankte Menschen erleben nämlich ihre Krankheit fälschlicherweise als persönliches Versagen.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen Ihnen zumindest einen kleinen Einblick in unsere Überlegungen geben, auch wenn Sie unsere Meinung sicher im Einzelfall nicht teilen werden.

Ich verbleibe mit Dank für Ihre Rückmeldung und
mit freundlichen Grüßen
Maike Zander
Kompetenznetz Depression

Was sagt Ihr zu dieser Stellungnahme? Ich finde sie einfach nur arm.

Uwe
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Depression und Leistungsgesellschaft

Uwe 916 02. 08. 2002 22:57

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tom999 245 02. 08. 2002 23:07

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Matthias 321 08. 08. 2002 14:05



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