Eigentlich sollte ich jetzt meine derzeitige Situation schildern und darauf hoffen, daß mich jemand versteht. Aber momentan möchte ich am liebsten über unsere egoistische, unfaire Gesellschaft motzen. Anscheinend gibt es mittlerweile mehr Menschen, die an einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung leiden, als an einer Depression. Diesen Eindruck habe ich zumindest immer dann, wenn gerade der Fernseher läuft. Der neue bzw. alte Zeitgeist lautet: Schön, erfolgreich und arrogant sein. Juhu, die Snobs sind in der Überzahl. Und die Intellektuellen pflegen ihren Zynismus als kluge Eigenart. Ob uns das psychiatrische Vokabular noch retten kann? Garantiert. Es öffnet die Tür für immer bessere Tabletten. Ein ganzer Industriezweig freut sich. Außerdem schafft dies neue Arbeitsplätze. Ziemlich paradox. Wir leben wirklich in einer irrsinnigen Welt, mit dem besten Nährboden für seelische Krankheiten ? und die Frage sollte eigentlich lauten: Kann man die elementaren Dinge des Lebens - wie Freundschaft, Verständnis, Liebe, Zärtlichkeit ? durch Psychopharmaka ersetzen? Also dann, bloß nicht hängen lassen.