Letzten Freitag (passend für Friday ;-)) überkam mich urplötzlich ein Gefühl des Vermissens. Ich vermisse meine Mutter, ganz bewusst. Es war nicht übermächtig stark, aber doch halt da. Ich vermisse meine kleine Mutti, wie sie war vor der Alzheimer-Demenz, nicht unbedingt ihre krötigen Seiten sondern die Situationen, wo wir uns eins waren, intensive Gespräche hatten. Ich erinnere mich wieder an unsere Parties, und was sich da so ereignete an Kuriositäten und Ausgelassenheiten. Meine Mutter, mein Vater und ich haben alle im März Geburtstag und ab und zu feierten wir zusammen. Ein bunter Haufen derer und meiner Freunde. Es war immer sehr lustig (solange man politische Themen außen vor ließ). Da gibt es einige Anekdoten drüber.

Irgendwann mal vor etlichen Jahrzehnten habe ich meinem Vater ein Verbot auferlegt bei meinen Feiern: Keine politischen Themen! Da gab es mal eine Feier, wo ich ihn und sein Gegenüber (ein Freund meines damaligen Mannes) fast rausgeschmissen hätte. Mein Dad guckte zwar blöd, hielt sich dann aber (weitestgehend) dran. Wenn da wieder was aufflackerte, flüsterte ich ihm zu "Themawechsel" oder so ähnlich oder versuchte, das Thema durch ein unverfänglicheres zu durchbrechen.

Politische Diskussionen (wenn man das überhaupt als Diskussion bezeichnen kann oder doch eher als Säbelrasseln,Schlagabtausch und Platzhirschgeröhr) können einem jede Feier und Party ruinieren, egal in welchem alkoholisierten oder nicht alkoholisierten Aggregatzustand sich die Kontrahenten befinden.

Und meine Mutter schlug sich dann immer heroisch, schwer zickend und verbale Seitenhiebe verteilend auf seine Seite, obwohl sie das Politische sonst nicht die Bohne interessierte, und die Beziehung zwischen meinen Eltern neutral ausgedrückt als sehr "dynamich" bezeichnet werden kann. Neutraler bezeichnen als "dynamische Beziehung" geht einfach nicht.

In den ersten Wochen nach ihrem Versterben hatte ich nur die ganzen Katastrophen der letzten mehr als 10 Jahre im Kopf. Ständig war irgendwas. Das weicht langsam aus mir raus und macht Platz für "wärmere und lebendigere" Gefühle. Und damit kommt auch das Vermissen.

Von Freitag auf Samstag hatte ich einen Traum um meine Mutter (auch wenn die sich im Traum nicht primär zeigte):
ich träumte, dass ich die Freundin (die mich am Tag der Beerdigung meiner Mutter per Mail mit Vorwürfen bombardierte) anrief. Ihre verstorbene Mutter war am Telefon. Ich war irritiert, weil ich ihre Mutter noch nie an der Strippe hatte und mich auch nicht erinnern kann, dass die Mutter mal bei ihr war während wir telefonierten. Ich sagte "kann ich mal bitte Jo sprechen." Dann hatte ich Jo in der Leitung und erkannte ihre Stimme nicht wieder. Sie war steinalt, klang gebrochen, sehr leidend und angestrengt. Ich war wieder irritiert und fing dann aber an drauf loszuplappern ohne Rücksicht auf ihre Befindlichkeiten. Ich sprach über völlig belangloses Zeug und Alltäglichkeiten bis die Freundin immer noch sehr angestrengt und leidend sagte, sie könne das Telefonat nicht fortführen. Das war dann völlig in Ordnung und wir legten auf."

Das war der ganze Traum.
Am Samstag, also direkt an dem Tag danach, vermisste ich meine "kleine Mutti" noch mehr. Also vorgestern. Da war ich zum Geburtstag einer anderen Freundin eingeladen, die meine Mutter auch kannte. Meine Mutter und die Geburtstagsfreundin mochten sich gegenseitig sehr. Der Geburtstag war dann sehr nett. Als ich mich langsam fertig machte (also äußerlich und nicht innerlich! ;-) war da dieses etwas intensivere Vermissen meiner Mutter als noch am Vortag. Ich war kurz davor, ein paar Tränchen zu vergießen, dachte aber, ist jetzt kein guter Zeitpunkt unter Zeitdruck und mit dem vielen Mascara auf den Wimpern. Es war aber auch nicht so, dass ich das großartig unterdrücken musste.

Ich hatte nur etwas Angst, dass mich das Vermissen die nächsten Tage, also auch heute noch, regelrecht überrollen könnte. Aber es ist eher ein seichteres Vermissen, so als wenn Wellen eines kleinen Sees leise und gemächlich mit meditativer Gleichmäßigkeit ans Ufer klatschen. Das Bild habe ich gerade vor Augen und im Kopf mit ebendiesem Geräusch, weil ich es gerade erst gestern wieder an einem See so intensiv wahrnahm.

Mal (in mich) schauen, wie das mit dem Vermissen weitergeht.

Alles Gute
Friday

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Nicht alles, was schwankt, ist bipolar.

Hätte ich die Kraft nichts zu tun, ich täte nichts.

Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 27.02.23 13:23.