Guten Morgen Foris,
Du hast in dir
den Himmel und die Erde.
- Hildegard von Bingen -
Das ist der heutige Leitspruch des Seelentrostkalenders.
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Das Auf und Ab des Lebens als "normal" zu betrachten, ist für mich verhältnismäßig neu.
Mit 76 Jahren ist nun so einiges in Gang gekommen.
Zum Thema "Tinnitus" habe ich im
Naturarzt einen interessanten Bericht des HNO-Arztes
Dr. med. Karl-Heinz Friese gelesen. Er schreibt, schulmedizinisch sei die Behandlung des
Tinnitus relativ einfach. Es werde gar nichts gemacht.
Herr Dr. Friese, der ganzheitlich arbeitet, sucht nach der Ursache, der am häufigsten eine
Lärmbelastung voraus geht. Er empfiehlt ein Leben in Ruhe, jedoch nicht in völliger Stille.
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Das mache ich intuitiv schon seit Tagen, in dem ich mich für kurze Zeit dem Verkehrslärm aussetze.
Ansonsten gehe ich Umwege durch verkehrsberuhigte Straßen.
Nicht ausweichen kann ich dem Höllenlärm der Militärmaschinen, die über unser Haus hinwegdüsen.
Das fühlt sich an, als ob sie so tief fliegen, dass sie das Dach mitnehmen. Eine zeitlang war Ruhe.
Doch gestern, als ich im Garten war, flog so ein Ungetüm über mich hinweg. Ich habe die Ohren
zugehalten und mir lautstark Luft gemacht.
Auch die Hyperakusis halte ich zeitweise aus, z.B. den Wasserkocher.
Die Kühl-Gefrier-Kombi habe ich umgestellt, so daß der Motor an einer anderen Wand steht.
Die Umluftfunktion am Herd meide ich allerdings nach wie vor. Das Gerappele brauche ich wirklich nicht.
Radio hören trainiere ich - nach umgestelltem Lautsprecher - 5 Minuten täglich: Nachrichten im Deutschlandfunk.
Musik hören ist nicht möglich. Menschliche hohe Stimmen klingen weniger verzerrt, verstehen kann ich die Worte
dennoch nicht.
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Gut tut mir insgesamt, dass mein Selbstbewußtsein zurück ist.
Gestern im Discounter war ich froh, endlich Wildlachs zu einem annehmbaren Preis in der Kühltruhe zu finden.
An der Kasse stellte sich heraus, dass ich auf das ungünstig angebrachte Sonderpreisschild für eine andere
Fischsorte hereingefallen war. Ich gab den Wildlachs zurück mit der Bemerkung, das sei mir zu teuer.
Die Schlange an der Kasse war lang und ich hielt mit den gesamten Betrieb auf.
Die Leiterin des Marktes, die der Kassierer herbei rief, war äußerst ungehalten und redete auf mich ein wie auf einen Doofkopf. Als sie nicht aufhörte, mir zu erklären ... sagte ich höflich aber bestimmt "Ich habe Sie verstanden.
Beim nächsten Mal schaue ich genauer hin." Dann verzog sich die Dame und der Kassierer lächelte
und gab mir mein Geld zurück. Zufrieden mit mir fuhr ich mit meinem Rollator und dem übrigen
Einkauf nach Hause.
Erstmals seit meiner Erkrankung - mit Rollator unterwegs - habe ich mich nicht klein und hilfslos gefühlt.
Mir kam ein Rat meiner Tochter in Erinnerung: "Mama, du mußt aufpassen. Es gibt Leute, die glauben,
alte Menschen dürfe man abwertend behandeln bzw. könne man leicht über den Tisch ziehen".
Eine ähnliche Anmerkung machte eine jüngere Bekannte: "Als Kind wirst du bevormundet
und ab 70 wieder, Paß' auf!"
Das hatte ich schon länger verinnerlicht, doch die Erkrankung und die sichtbare Veränderung (alt + Rollator)
hatte mich vollkommen verunsichert.
Das ändert sich gerade.
Ich fühle mich wieder sicherer.
Die Butter vom Brot nehmen lasse ich mir nicht.
Meine Mutter hat mir vorgelebt wie man das macht: laut und unerschrocken.
Als Kind habe ich mich für ihre Art geschämt. Heute bin ich ihr dankbar, dieses Erbe leben zu können.
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Danke für's Lesen!
Viele Grüße
Deborah
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Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.
Lerne erst laufen,
bevor du versuchst zu rennen.
("zeitzuleben", Ralf Senftleben)
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1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.04.23 05:45.