18. Dezember
Krippe
Wenn sie ihm von dem Tag seiner Geburt erzählen, hört Zaki eine Geschichte aus einer ihm fernen Welt.
Wie soll er, der Achtjährige, sich auf dem weichen Sofa ihrer Wohnung in Deutschland auch vorstellen,
dass er als Baby in einem Zelt lag? Unter einer Kunststoffplane irgendwo an der Grenze zwischen der
Türkei und Syrien, der Heimat seiner Familie.
Zakis Eltern erzählen, dass sein Geburtstag ein klarer, kalter Dezembertag war.
Das man die Mutter, als die Wehen begannen, in die kleine Krankenstation im Hauptgebäude brachte.
Dass sie nach drei Tagen mit ihm, dem Neugeborenen, in das Zelt zurückkehrte, in dem der Vater,
die fünf Geschwister und zwei Onkel warteten. Neun Personen, ein Zelt, seit drei Jahren.
Zaki hat keine Bilder aus der Zeit im Kopf, seine ersten Erinnerungen spielen in Deutschland.
In der Wohnung im siebten Stock. Seine Eltern erzählen nicht viel darüber, aber Zaki weiß,
dass der Vater schließlich alleine übers Meer aufbrach. Dass er nach Wochen und Monaten
in Deutschland ankam, viele Anträge stellte, schließlich bleiben konnte. Dass er die Mutter,
die Geschwister und Zaki nachholte.
Menschen, die fliehen müssen, lassen ihr altes Ich zurück.
Sie kämpfen darum, aus den Trümmern ein neues Selbst zusammenzusetzen. So wie Zakis Eltern.
Vielleicht hilft ihnen dabei, dass sie ihren Jüngsten nicht als Kind der Flucht erleben, sondern als ein
Kind der Ankunft.
Christiane Langrock-Kögel
aus der
Andere Advent