Glauben
Lukas will, dass was passiert,
und dann passiert was
Lukas mag diese Kaugummis nicht, die sich jetzt alle kaufen. Die nach Apfel schmecken und dann auch wieder nicht,
sondern nach etwas ganz anderem, aber was dieses andere ist, darauf kommt er nicht. Warum macht man Kaugimmis,
die nur fast wie Apfel schmecken, fragt sich Lukas. Im fällt keine Antwort ein und das macht ihn wütend. Er mag es nicht,
wenn Sachen im Ungefähren bleiben. Zum Beispiel, wenn Nico sagt >>man sieht sich<< und Lukas hat keine Ahnung,
was das heißt. Wann sieht man sich? Und wo?
Lukas geht dann zum Kiosk oder lungert ein bisschen beim Bus rum und guckt, ob Nico kommt.
Ist aber nur ein Penner da, der schläft, und Lukas kickt eine Dose zur Seite.
Nico ist Luka's Freund. Jedenfalls irgendwie, und das ist schon wieder was, was Lukas nervt.
Heute kommt Nico jedenfalls nicht. Lukas hebt die Dose auf wegen dem Pfand und trottet nach Hause.
Als er die Tür aufschließt, riecht es nach Blumenkohl. Er seufzt. "Was seufzte denn?", sagt die Oma, ohne dass es wie eine
Frage klingt. Lukas zuckt mit den Schultern und verschwindet in seinem Zimmer. Er lässt sich in den roten Sessel fallen.
Den findet er gut. Den hat er auf der Straße gefunden, der stand einfach da, ein Sessel aus rotem Leder oder Kunst-
leder, Lukas kennt sich damit nicht aus. Aber der Sessel ist cool.
Lukas sitzt da und nichts passiert. Viele Minuten passiert nichts. Nur der Blumenkohlgeruch wird stärker.
Lukas betet: "Lieber Gott, mach, dass was passiert." Obwohl er gar nicht an Gott glaubt. Weil: Gott kann man nicht sehen.
Gott kann man nicht riechen. Und um es abzukürzen: Schmecken und hören kann man ihn auch nicht, selbst wenn viele
Leute das Gegenteil behaupten. Lukas kann Gott auch nicht fühlen. Gott ist ein Nichts.
Ich bin auch ein Nichts, denkt Lukas. Lisa geht mit Marten. Jan hat ein Moped. Lasse hat jedes Mal eine Eins in Mathe.
Lukas hat nichts von alledem, und auch kein Skateboard, weil er sowieso runterfallen würde.
Außerdem hat er kein Geld dafür, denn Eltern hat Lukas auch nicht, nur die Oma,
die weiß auch keinen Rat.
Lukas ist ein Nichts. Obwohl er in seinem roten Sessel sitzt. Niemand guckt ihn an. Niemand interssiert sich für ihn.
Insofern, denkt Lukas plötzlich, haben Gott und ich eine ganze Menge gemeinsam.
Zum ersten Mal in seinem Leben hat Lukas das Gefühl, nicht allein zu sein.
aus "
Mut ist ... Kaffeetrinken mit der Angst" von Susanne Niemeyer
wiedergegeben mit dem Einverständnis der Autorin