Seit meiner Kindheit ist das Thema Familie bei mir zwiespältig besetzt. Meine Eltern waren mir wegen ihrer Alkoholkrankheit, bis ich von zuhause auszog, eine schreckliche Last. Großeltern und Tanten waren unfähig, meinem Bruder und mir zu helfen.
Mittlerweile sind meine Eltern verstorben, und die einzige Verwandte, zu der ich regelmäßigen Kontakt habe, ist eine 79-jährige Tante. Meinen Bruder sehe ich höchstens ein-, zweimal im Jahr (Geburtstag von meinem Neffen, Weihnachten). Auch anderer Kontakt wie Telefon oder WhatsApp ist selten. Ich hätte gerne mehr Kontakt, aber er nicht. Meine Tante meint, er habe keine Zeit. Wirklich? Nicht mal zwei Stündchen für die einzige Schwester, die er hat? Ich würde auch zu ihm fahren. Daher glaube ich nicht an die fehlende Zeit. Er hat einfach kein Interesse. Gut, er hat sich einmal sehr über mich geärgert, aber wir hatten uns schon vorher nicht oft gesehen.
Wir leben auch in verschiedenen Welten. Er und seine Frau arbeiten, haben ein Kind, ein eigenes Haus und sind in jeder Hinsicht "straight". Ich hingegen bin nach dem Tod meiner Eltern wohl das schwarze Schaf, das nichts auf die Reihe gebracht hat.
Ich weiß nicht, mit welchen Gefühlen ich an die Sache gehen soll. Froh sein, wenn ich ihn ein-, bis zweimal im Jahr sehe und ihn sonst einfach abhaken oder weiterhin hoffen, dass wir uns öfters sehen? Ich denke, letzteres ist unrealistisch. Aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.
Hatte jemand von Euch einmal eine ähnliche Situation, und wie würdet Ihr Euch verhalten?
LG
Lisa Vincenta
Weiblich, 59 Jahre, seit Ende 2002 an Bipolarer Störung erkrankt, seit 2011 an einer Ticstörung