Deinetwegen
Der Engel sitzt in der Küche und spielt Gitarre.
Er taucht jetzt öfter auf. Ich bin trotzdem jedes Mal überrascht.
An einen Engel gewöhnt man sich nicht so schnell.
"Was tust du hier?", frage ich. "Ich übe."
Das macht Sinn. Sein Gitarrenspiel ist lausig.
"Aber warum hier? Hast Du kein Zuhause?"
"Heute hier, morgen dort ...", trällert er.
"Ich möchte ja nicht unhöflich sein", hake ich vorsichtig nach, "aber hast du nichts Wichtigeres zu tun?
Geisterfahrer auf die rechte Bahn bringen? Lebensmüde ermuntern? Die Welt retten?"
"Das Wichtige ist das Naheliegende", sagt er und blickt sich um. "Kein Geisterfahrer zu sehen. Nur du".
Ich bedanke mich, aber mir fehle nichts, sage ich.
Entrüstet schaut er mich an: "Das wäre ja noch schöner, nur zu kommen, wenn etwas fehlt!
Ich bin doch kein Fundbüro! Ich bin einfach deinetwegen hier. Um dir Gesellschaft zu leisten."
Und dann singt er weiter. "Zeit zu bleiben und nun, was ganz anderes zu tun ...",
und ich stimme schräg mit ein.
(aus
lichtblick von Susanne Niemeyer)
wiedergegeben mit dem Einverständnis der Autorin