Hallo Foris,
auch in diesem Jahr - so kurz vor Weihnachten - möchte ich eine Geschichte aufschreiben,
dieses Mal aus dem Buch "Mut ist ... Kaffeetrinken mit der Angst".
Wie es ist, ja zu sagen und nein
Es waren einmal Geschwister.
Das eine hieß Ja.
Das andere hieß Nein.
Sie lebten auf der Erde einträchtig beieinander. Jedenfalls sollte das so sein.
Aber wie es bei Geschwistern so ist, waren sie sehr unterschiedlich.
Das Ja war ein Sonnenschein. Überall, wo es auftauchte, freuten sich die Menschen. Es lachte. Es strahlte. Es versprach,
alles zu geben. Niemandem wollte es etwas abschlagen: Ja, du darfst leben. Ja, die Gehaltserhöhung hast du verdient.
Ja, du bekommst die dritte Kugel Eis. Ja, du darst ihn/sie küssen. Ja, der Strand ist für alle da, auch für die Hunde.
Ja, dein Wunsch sei Befehl!
Am Abend eines solchen Tages waren alle erschöpft, aber glücklich.
Mit dem Nein war es anders. Immer, wenn es auftauchte, wurde es still. Die Menschen versuchten, seinem Blick auszuweichen. Es war ernst. Das Nein hatte einen entschiedenen Zug um den Mund. Zwar konnte es auch lächeln, aber das verunsicherte viele. <<Spielverderber>>, riefen sie. <<Schwarzseher!>> <<Alles willst du verbieten!>> <<Überall setzt du Grenzen!>>
<< Das Leben soll ein Wunschkonzert sein. Du wirst das nicht verhindern!>>
"Nein", sagte das Nein, "das tue ich nicht. Ich helfe euch. Ich gebe euch mein Wort."Aber das wollte keiner hören.
Es war so kompliziert. Das Nein brauchte eine Menge Mut auf der Welt. Niemand mochte es.
"Du verbreitest schlechte Laune", sagte das Ja. "Besser, du hälst den Mund." Es wollte lieber fröhliche Menschen.
"Aber du brauchst mich", entgegnete das Nein. " Ohne mich bist du konturlos und leer. Ohne mich bist du ausgehöhlt.
Niemand wird dich mehr ernstnehmen, weil alle zu Jasagern werden.
Stell dir mal vor, wie viele unglückliche Hochzeiten es gäbe, wenn niemand mehr Nein zu sagen wagte.
Wie viele Kriege, wie viele fürchterliche egozentrische Kinder! Die Menschen hätten keinen Willen mehr.
Ohne mich wirst du zum Diktator!"
Da entstand ein Schweigen.
Was immer das Ja sagen würde - es würde zugeben, dass es das Nein braucht.
mag ich nicht: Aus Angst vor dem Nein nicht zu fragen. Ja-aber-Gespräche. Sackgassen. Unverständliche Verbote.
Mitmachen müssen, auch wenn man nicht will. Spielverderber. Falsche Versprechen. Süßstoff. Blinder Gehorsam.
@ Admins: die Einverständniserklärung der Autorin Susanne Niemeyer habe ich eingeholt.