Re: Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

02. 05. 2021 14:46
Ich denke, eine Pauschalaussage wäre nicht gut. Jede einzelne Situation müsste individuell bewertet werden. So habe ich insgesamt dazu ein ambivalentes Gefühl, welches unteranderem auf meine eigenen Erfahrungen basiert.

Es gab eine Zeit, da verbrachte ich Jahre zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression. Ich suchte lange nach Möglichkeiten, da wieder raus zu finden. Hinzu kam, dass mein früheres Leben nicht mehr möglich war und die Akzeptanz meiner eigenen Grenzen noch nicht vorhanden war.

Gerade in dieser tiefesten Verzweiflung war meine Wahrnehmung so, dass ich mein früheres Leben nur als unendlichen Kampf sah und mein zukünftiges Leben nicht besser aussehen würde. Ich sah überhaupt keine Perspektive mehr und nur noch Leid. In dieser Zeit wäre mir diese Alternative sicherlich willkommen gewesen.

Aber es hätte mir nicht nur mein Leid genommen, sondern auch meine vielen schönen Momente und Erlebnisse, die noch folgen sollten. Ich hätte nie erfahren, wie es ist, sich ein neues Lebensziel aufzubauen, nie die Menschen kennen gelernt, die ich noch kennen lernen durfte und noch darf. Ich hätte nie erlebt, wie es ist Tante zu sein und noch so viele andere Ereignisse.

Das heißt, es gab, trotz dass ich in tiefster Depression nicht mehr daran glaubte, doch noch ein anderes Leben. Klar ist, ich wollte dieses depressive Leben nicht mehr, aber klar ist auch, dass ich durchaus noch leben wollte, wenn die Bedingungen anders wären.

Ebenso ist mir klar, dass ich in stabilen Phasen meine eigene depressive Denke nicht mehr nachvollziehen kann. So ist für mich immer die Frage, wäre meine Entscheidung wirklich "frei", wenn mich die Depression zu einem anderen Denken und fühlen "zwingt"?

Wenn ich die Depression mal personalisiere, ob als Gegenspieler oder Dämon, der mir Dinge einfach einflüstert und mich manipuliert, wie frei ist dann wirklich meine Entscheidung?

Andererseits sehe ich aber auch Menschen, die wirklich seit vielen Jahren heftigst unter ihren psychischen Problemen leiden (24/7) und eher dahinvegitieren, trotz vieler Medikamenten, Wohnbegleitung und alles was das psychiatrische System zu bieten hat. Außer dass das System dann sagt, ist austherapiert und/oder ggf. nur mit noch mehr Medikamenten reagiert, die aber auch nicht besser helfen, ist keine wirkliche Besserung in Sicht.

Da frage ich mich dann schon, entweder muss in diesen besonderen Situation mal völlig umgedacht werden und mal ganz etwas anderes ausprobiert werden oder aber wir geben zu, dass wir am Ende unseres Lateins sind.

Aber auch hier, sollte wirklich nichts pauschal gesehen werden, sondern immer individuell betrachtet. Denn wenn wir hier die Hände heben und sagen, was solls, kann es auch sein, das bisher nur das Falsche ausprobiert wurde und eine völlig neue Herangehensweise die Situation enorm ändern würde.

Es ist auf jeden Fall schwer.

Viele Grüße Heike

------------------ Signatur --------------------------

Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.

"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
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Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

dry 2728 02. 05. 2021 10:56

Re: Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

Heike 731 02. 05. 2021 14:46

Hinter mir die Sintflut...

dry 748 02. 05. 2021 16:31

Re: Hinter mir die Sintflut...

Milla 447 02. 05. 2021 17:35

Re: Hinter mir die Sintflut...

Friday 441 02. 05. 2021 18:56

Re: Hinter mir die Sintflut...

Wesker 542 03. 05. 2021 11:24

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Milla 431 03. 05. 2021 13:00

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Wesker 493 03. 05. 2021 13:15

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Friday 425 02. 05. 2021 18:49

Re: Hinter mir die Sintflut...

zuma 510 02. 05. 2021 21:45

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Friday 461 02. 05. 2021 22:28

Re: Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

Bonnaparte 625 21. 05. 2021 17:15

Re: Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

Bonnaparte 474 03. 06. 2021 10:27

Re: Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

Wesker 1442 03. 06. 2021 11:41

Re: Das Geschäft mit der Sterbehilfe...

FLYHIGH 513 02. 05. 2021 19:07



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