Hallo Wesker,
das Gefühl, nicht in die Gesellschaft zu passen, zur falschen Zeit oder am falschen Ort
zu leben (oder auch beides gleichzeitig) kenne ich sehr gut. Es begleitet mich soweit ich mich
erinnern kann seit meiner Jugend, jetzt bin ich 31.
Ich denke in manchen Punkten genauso wie du, in anderen Punkten ganz anders, aber das
Gefühl ist vermutlich das Gleiche. Auch wenn man eine Familie gründet, kann man sich „nicht
zugehörig“ fühlen.
Das Gefühl ist mal stärker und mal schwächer. Mit Sicherheit hat man man manchmal stark romantisierte
Vorstellungen über das Leben an anderen Orten und zu anderen Zeiten. Kann mich an einen
Film erinnern, der in Paris spielt - ein Mann reist zurück in der Zeit in seine Sehnsuchtsepoche,
um dort dann Menschen zu treffen, die sich wiederum in dieser Epoche so gar nicht zugehörig
fühlen und gerne in eine andere Zeit zurückreisen würden. Wo sie dann wieder auf Menschen treffen,
die die vorhergehende Zeit idealisieren.
So schlimm wie jetzt war es allerdings noch nie. Da ich die aktuelle „Pandemie-Lage“ so ganz anders
beurteile als der Großteil der Bevölkerung, fühle ich mich in Deutschland mittlerweile vollkommen fehl
am Platz und weiß auch gar nicht, ob ich in meiner „Heimat“ überhaupt noch eine Perspektive habe
bzw. hier überhaupt noch leben möchte, wenn es sich weiter in diese Richtung entwickelt.
Mit einem fehlenden Blick für die schönen kleinen Dinge hat es meiner Meinung nach auch nichts zu tun
- ich nehme all diese Dinge sehr bewusst wahr und weiß sie zu schätzen. Aber das ändert nichts an dem beschriebenen
Gefühl. Ich denke es hat viel mit Anpassung zu tun - umso mehr man sich an seine Umgebung anpasst
(trotz eventuell ursprünglich anderer Ansichten), desto zugehöriger fühlt man sich. Wer in seinen Ansichten
und seiner Lebensweise unabhängiger bleibt, fühlt sich bei Abweichungen zur „aktuellen gesellschaftlichen
Norm“ eben auch weniger zugehörig. Das ist wohl der Preis, den man zahlt.
Ich denke bis zu einem gewissen Punkt ist diese Anpassung durchaus gesund,sie verhindert Isolation.
Zu Zeiten wie der jetzigen finde ich sie jedoch brandgefährlich.