Schnaps und Kartoffelsalat
Als Opa ins Heim zieht, haben alle ein schlechtes Gewissen. Ich nicht. Opa guckt wie immer.
Er packt seine Bücher in drei Kisten und legt das Buddelschiff obendrauf.
"Wir können gehen", sagt er, und Mama seufzt. Mama seufzt viel in letzter Zeit.
Ich glaube, Opa geht das auf die Nerven.
"Ach, Vati", sagt sie, "wenn wir dich nur zu uns nehmen könnten, Aber du weißt, wie eng es bei uns ist ..."
"Passt schon", brummt Opa und zündet sich eine Zigarette an, die Mama ihm sofort entreißt.
"Sei nicht so unvernünftig" Das ist der sichere Tod für dich!" "Nichts ist so sicher wie der Tod. So oder so."
Mama will das nicht hören.
Das Heim ist ein gelbes Haus. Vor dem Eingang stehen zwei Bänke, links eine und rechts eine.
Ich reserviere in Gedanken schon mal die linke für Opa und mich. Dann gehen wir rein.
Drinnen begrüßt uns eine Frau. Mama sagt, das ist eine Pflegerin. Opa will sein Zimmer sehen.
Wir gehen ins zweite Stockwerk, weil Opa sich weigert, den Fahrstuhl zu benutzen.
"Meine Beine funktionieren noch!"
Es gibt ein Bett, einen Sessel, einen Tisch mit Häkeldecke, einen Fernseher und ein Katzenbild, das mich an die
Kalender erinnert, die immer in der Apotheke liegen. Es riecht ein bißchen komisch. Opa geht zur Wand, nimmt
das Bild ab und drückt es der Pflegerin in die Hand. "Ich mag keine Katzen."
"Aber Vati", beeilt sich Mama zu sagen, "natürlich magst du Katzen."
Dann dreht sie sich zur Pflegerin um und lächelt entschuldigend.
"Lassen Sie mal, das passt schon".
"Katzen haben mir noch nie gefallen", brummt Opa, und das stimmt. Alle mögen Katzen, nur Opa nicht.
"Ist doch egal", zischt Mama, Mir wäre das nicht egal. Wenn jemand zum Beispiel Pferdeposter in mein
Zimmer hängen wollte, würde mich das stören. Pferdeposter sind Mädchenzeug.
Opa hört schon nicht mehr zu. Er hat den Fernsehstecker aus der Wand gezogen und versucht,
das klobige Gerät hochzuheben. "Herr Klöckner", ruft die Pflegerin entsetzt, "was machen Sie denn da?"
Opa würdigt sie keines Blickes. "Ich habe meinen Lebtag noch nicht ferngesehen, also werde ich auch hier
nicht damit anfangen."
Wahrscheinlich könnte er etwas netter sein. Man merkt erst, wie nett Opa ist, wenn man ihn länger kennt.
Die Pflegerin kennt ihn eindeutig zu kurz. Deshalb herrscht sie ihn an: "Sie können den nicht einfach rausstellen.
Der gehört zum Inventar!" Ich würde ihr am liebsten sagen, dass Opa es nicht mag, wenn man ihn anherrscht,
aber Mama wirft mir einen strengen Blick zu, sodass ich lieber schweige. Opa lässt sich nicht beirren und hievt
den Fernseher auf den Flur. "Ist das hier jetzt mein Zimmer oder nicht?"
Mama zieht ihn weg. "Wir essen erst mal ein schönes Stück Kuchen."
Wir liefern Opa im Speisesaal ab und fahren nach Hause.
Fortsetzung folgt ...
(aus "Das Weihnachtsschaf" von Susanne Niemeyer)
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.12.20 20:06.