Hallo nebulos,
danke für deine ausführlichen Gedanken dazu.
Das stimmt mit dem Anstieg der Komplexität und der Beschleunigung. Früher in meiner Kindheit und Jugend 70er/80er-Jahre, da gab es einerseits in der Politik ein klares Freund-Feindbild durch den kalten Krieg. Da war zwar die Angst vor einem Nuklear-Krieg, aber die Globalität kam nur über Fernsehen und Zeitung zu uns, im alltäglichen zeigte es sich noch nicht so.
Damals gab es zwar auch schon Fremdenfeindlichkeit, was ja durch das Buch "Ganz unten" sehr schön herausgearbeitet wurde, aber irgendwie schien es noch keine große Angst vor Arbeitsplatzverlust, Wohnungsknappheit etc. zu geben. Hat jemand einen Job gefunden, war es dort üblich nach der Probezeit auch eine unbefristete Festanstellung zu bekommen, oft sogar bis zum Renteneintritt. Die Generationen der Familien lebten auch noch nicht so weit entfernt voneinander. Es war alles überschaubarer, aber auch teils eingeengter und eingefahrener.
Dann überrollte uns immer mehr die Globalisierung, zudem fiel der kalte Krieg weg, alles machte sich auf zu neuen Entdeckungen und Entfaltungen, der Slogan "Sei deines Glückes Schmied" wurde aufgegriffen, statt Familie und Gemeinschaft war nun Selbstverwirklichung und Individualismus angesagt, Jobs fand man in anderen Städten, Flexibilität steht an oberster Stelle, dann kamen die sozialen Medien, die eine noch schnellere Kommunikation und Nachrichtenverteilung zulässt, dadurch noch mehr Möglichkeiten, aber ebenso noch mehr Unverbindlichkeiten. Alles steht offen und zur Verfügung, der Blickwinkel ist nun auf ganz weit gestellt, aber dadurch veränderte sich stark auch das Miteinander und so auch gesellschaftliche Kontrollstrukturen (die, sind sie zu stark, einengen können, aber fallen sie weg, auch eine Orientierungslosigkeit hervorrufen).
Obwohl Statistiken zeigen, dass es uns eigentlich noch nie so gut ging wie heute, ist die Angst aber viel größer als früher. Das mag eine Erklärung sein, warum "Vereinfachungen", das Versprechen von "klaren Strukturen" und sogar drastische Lügen, sich in Menschen verfangen, die in dieser komplexen Welt sich nach einer Ordnung sehen, die klar definiert, was richtig und falsch ist, was Freund und Feind ist.
Doch diesen Hass, erklärt es nicht in Gänze. Da hat wohl weiterhin Rassismus vom Ende des 2. Weltkrieges bis heute überlebt und findet nur heute Anschluss durch diverse Unsicherheiten und Ängste in der Bevölkerung.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).