Hallo Delphin,
es freut mich sehr, dass Du so viele gute Erfahrungen mit Deinem Glauben machst.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Bibel auszulegen. Darin unterscheidet sich die Textinterpretation nicht von der Literaturwissenschaft.
Leider nehmen fundamentalistisch Gläubige die Bibel wortwörtlich und dadurch kommt es zu recht unbarmherzigen Auslegungen und nicht sehr toleranten Ansichten. Beispiel: Homosexualität wird als Krankheit und Sünde gesehen und gesundgebetet. Was natürlich nicht funktioniert und Menschen mit anderer sexueller Orientierung diffamiert.
Weiter wird der Tod Jesu am Kreuz als Sühnetod für unsere Schuld und als Wille und Liebesakt Gottes betrachtet.
Auch diese Interpretation erscheint mir unbarmherzig und historisch nicht korrekt. Kreuzigung war damals die gängige Bestrafung für Revolutionäre wie Jesus, die gegen die herrschende Macht aufbegehrten.
Die Bibel will also auch historisch kritisch gelesen werden. Eugen Drewermann flog aus seiner eigenen Kirche raus, weil er die Bibel tiefenpsychologisch interpretierte und darin ein Therapeutikum für Menschen in seelischen Krisen sah. Er stellte damit die Biblischen Geschichten in eine Reihe mit Geschichten aus anderen religiösen Traditionen. Verwies auf die heilende Kraft der Gleichnisse, Wundergeschichten, Heilungen.....Er interpretierte Märchen auf ähnliche Weise und betonte immer wieder die Symbolkraft dieser Textgattungen. Drewermann ist Psychotherapeut und ein ausgezeichneter Theologe und ermöglichte vielen Menschen einen neuen Zugang zum Christentum, zur Religion, zur Psychologie C.G. Jungs und damit zu sich selbst. Es ging D. auch um die Integration unseres eigenen Schattens. Wir Menschen neigen dazu, das Böse auf unsere Mitmenschen oder gar eine Hölle oder einen Teufel zu projizieren. Satre sagte einmal, ' die Hölle, das sind die anderen'.
Leider können evangelikale Christen auch zur Hölle der anderen werden, wenn sie eine Angstreligion verbreiten. Ich weiß, wovon ich rede. Ich ging mehrere Jahre in eine evangelikale Gemeinde und tat mich aber von Anfang an schwer, an den Teufel, an die Hölle, an die ewige Verdammnis zu glauben.
Nach Drewermann und moderner wissenschaftlicher Theologie ist der Mensch Heiliger und Sünder zugleich. Das Böse ist ein Teil von uns. Wir haben dieses Potenzial, andere zu schädigen oder uns gegen die Natur zu versündigen.
Es geht darum, nicht andere zu verteufeln, sondern unsere eigenen Licht- und Schattenseiten anzuerkennen. Die eigenen Schwächen zu integrieren, anstatt sie auf andere zu projizieren.
Ich wünsche Dir weiterhin Gottes Segen. Möge Dein Glaube eine wichtige Kraftquelle in Deinem Leben bleiben. Ich wünsche Dir aber auch, andere nicht unter Androhung von Strafe zu missionieren.
Denn Gott ist die Liebe.
Nichts anderes. Er hat mit seinem Wort noch andere Ziele, als zu missionieren. Er wirkte in der Befreiungstheologie Lateinamerikas, ist ein Gott der Armen, Ausgegrenzten, Kranken, Trauernden.
Man muss nicht einmal lesen können, um ihn zu erfahren. Man kann ihn von ganzem Herzen suchen und beten, dass die eigene Suche nicht ins Leere läuft.
Er möchte unserer Heil für Leib und Seele, ist für uns Mutter und Vater.
Gott findet sich nicht im Mammon.
' Denn was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und doch Schaden nimmt an seiner Seele.'
Ich wurde von diesem liebenden Gott immer gehalten und in meinem Suchen und Fragen ernst genommen.
Von evangelikalen Gemeinden und Freikirchen habe ich mich bereits mit 20 Jahren freigeschwommen. Ich schwimme im großen unendlichen Meer der Liebe.
Denn was macht mir der Schiffbruch aus, wenn Gott das Meer ist?
Evangelikale Kreise reduzieren Gott häufig auf einen Brunnen, sie sehen nicht über ihren eigenen Brunnenrand hinaus.
Die Wahrheit kann niemand von uns beanspruchen, weder Du noch ich. Sie entwickelt sich im Gehen und im Dialog .
Auch mit anderen Religionen und Weltanschauungen. Auf gleicher Augenhöhe.
Alles Gute und Gottes Segen für Deinen Weg.
Wäre schön, wenn Du Dich wieder öffentlich an unserer Diskussion beteiligst, anstatt über Privatnachrichten zu missionieren.
LG
Frech