Hallo und guten Tag!
Ich habe eben erst gesehen, dass Du auf einzelne Sätze von mir eingegangen bist und auch Fragen gestellt hast. Die kopiere ich nun hier und antworte darauf:
... beim Lesen kommt mir der Gedanke: das ist mehr als Krankheit, welcher Art auch immer - das ist existentiell. [...] Es klingt für mich wie ein Ringen, ... mit wem oder womit?
Die Frage ist einfach zu beantworten. Ja, es
ist existenziell, denn ich ringe mit dem Tod in mir, mit diesen Zellen, die sich - aus welchem Grund auch immer - dafür entschieden haben, einem anderen Plan zu folgen als dem ursprünglich für sie vorgesehenen.
sag mal, gibt es jemanden, der dich versorgt, der sich um dich kümmern darf, der deine Hand halten und dich in dern Arm nehmen darf? Hier werden die Grenzen digitaler Kontakte sehr deutlich, finde ich.
Es gibt jemanden, der mich liebt und ich liebe ihn auch - ein spätes und in diesem Leben gar nicht mehr erwartetes Geschenk. Weil er selbst mit sehr großen Problemen konfrontiert ist, können wir uns nicht oft treffen, alle zwei Wochen vielleicht. Aber es ist die Qualität, die zählt, nicht die Quantität. Er ist (mittlerweile zum Glück anerkannter) Asylbewerber aus Afghanistan, findet sich hier nun zwischen zwei Sprachen zwei, Kulturen, zwei Traditionen und auch zwei Religionen wieder; das ist nicht einfach und verdient großen Respekt.
Ich lerne ein wenig Persisch, eine schöne und einfache Sprache (in seinem Fall ist es Dari, nicht das häufiger gesprochene Farsi). Aber in meinem Alter lernt es sich nicht mehr sei leicht, deshalb unterhalten wir uns vor allem in (etwas gebrochenem) Deutsch.
Nichts gegen die digitalen Sozialkontakte! Gerade Facebook hat sich als unerwartet sozial erwiesen, dort sind ein paar richtig enge und bereichernde Freundschaften entstanden, mit denen ich manchmal stundenlang viedeochatte. Mir gefällt das Internationale dabei besonders gut; einer sitzt in Pakistan, eine Frau in den USA, eine andere in England und einer aus Kuala Lumpur ist auch dabei. Ich lerne viel in diesen Unterhaltungen, das hält den Kopf auch fit und ist vor allem eine willkommene Abwechslung in meinen durch medizinische Themen bestimmten Tagen und Nächten.
Ich bin gerne physisch alleine, fühle mich auch so gut wie nie einsam. Im Gegenteil: Gerade, wenn ich krank bin, ziehe ich mich gerne zurück und habe dann am liebsten niemanden um mich. Ich verstehe auch nicht, wieso man im Krankenhaus mit irgendwelchen wildfremden Leuten in Mehrbettzimmern zusammengepfercht wird. Wie soll man da in Ruhe genesen? Ich kann nur dann hemmungslos stöhnen und jammern, wenn es niemand hört, und ab und zu tut das doch richtig gut.
Meine täglichen Bedürfnisse sind gut abgedeckt, auch hier zuhause. Ich habe mich nach einer Woche auf der Palliativstation des Universitätsspitals Zürich selbst entlassen, auch wenn die Ärzte dort das nicht gern gesehen haben. Anscheinend bin ich einfach nicht anstaltskompatibel.
Patienten, die nach einem Krankenhausaufenthalt zuhause noch Unterstützung brauchen, können hier die "Spitex" in Anspruch nehmen. Diese Organisation kann das Schmerzmanagement zuhause übernehmen, auch eine mobile Schmerzpumpe wird in Erwägung gezogen, falls "nur" mit Tabletten die Beschwerden nicht in den Griff zu bekommen sind. Es gibt einen Fahrdienst zu den Bestrahlungen und zurück, auch Leute, die für mich das einkaufen, was den Kühlschrank füllt und man versorgt auch die Dekubitus-Stelle am Steißbein sehr gut, die ich mir im Krankenhaus angelegen habe.
Eigentlich dachte ich, ich könne stationär in der Klinik den Rest meiner täglichen Bestrahlungssessions erledigen und dabei mit Hilfe der Spezialisten dort die Schmerzen wirksam unterdrücken. Das gelang auch sehr gut, dank Ketamin und einem Morphin, das ich mir mit einer Schmerzpumpe bei Bedarf selbst in eine Vene schießen konnte. Alle acht Minuten konnte ich auf den Knopf drücken, der wie eine Fernbedienung zuverlässig den Schmerz ausknipste. Die Pumpe zählt mit, und die Statistik sagte nach einer Woche, dass ich über 200 Mal gedrückt habe - und ich war so zurückhaltend wie möglich dabei (die Suchtgefahr, man weiß ja). Aber ich erinnere mich auch an Situationen, in denen ich sehnsüchtig darauf wartete, dass die acht Minuten um waren.
Dieser Schmerz ist extrem, krampfartig und deshalb höchst unangenehm. Nachdem eine Entzündung nun endgültig ausgeschlossen werden konnte (diese verursacht ähnliche Symptome), ist man nun sicher, dass es sich um Tumorschmerzen handelt. Anscheinend wächst etwas in einen Nerv hinein, alle bildgebenden Verfahren wie MRI, Ultraschall und CT haben nichts gezeigt, was sonst so weh tun könnte. So heftig die Schmerzen auch sind, ich bin ihnen dankbar, denn sie haben mir relativ frühzeitig gezeigt, dass da unten etwas Wesentliches nicht mehr stimmt. Deshalb bin ich zum Hausarzt, der nach den alarmierend hohen Blutwerten diese ganze diagnostische und therapeutische Lawine ausgelöst hat (thanks forever, Dr. Watson).
Jedenfalls drücken bei aufrechter Haltung wie Sitzen oder Stehen/Gehen die Innereien noch zusätzlich auf diese Stelle, aus diesem Grund liege ich die meiste Zeit. Wenn ich schmerzfrei bin, stehe ich auf und arbeite. Die Fortschritte hierbei sind zwar jeweils nur klein und es nervt mich, dass alles so lange dauert, aber irgendwann kommt auch eine Schnecke ins Ziel. So wie jetzt gerade: Nach monatelangem Konzipieren, Ausprobieren und Lernen durch Versuch und Irrtum bin ich nun so weit, dass ich sagen kann: "Mein neues Studio ist fertig."
Hier kann ich nun Sounds und Videos in professioneller Qualität aufnehmen und nachbearbeiten. Außerdem ist das Ganze auch meine mobile Bühne: Ein paar leichte Stative aus Aluminium, schwarze Stoffbahnen und wenige, aber gute kleine Scheinwerfer und Projektoren für ein ungewöhnliches und sehr individuelles Lichtkonzept lassen sich in zwei Koffern unterbringen, so dass ich das alles zur Not auch mit dem Zug transportieren könnte - wenn ich denn körperlich fitter wäre.
Nach diesem Posting schneide ich weiter ein Video, in dem ich das Studio zeige und gleich ein wenig Musik mache.Wenn jemand Interesse daran hat, findet er er oder sie es demnächst auf den bekannten Kanälen (Facebook, YouTube, Website etc.)
Danke für euer Interesse, bis irgendwann mal wieder.
Mr Noname II