... es ist ja schön, dass ich aus Versehen eine Diskussion angeregt habe über Goldrahmen und van Goghs Ohr.
Das ist mir heute, wo ich auf der Suche nach was anderem sehr zufällig über die neuen Postings hier gestolpert bin, herzlich egal. Van Gogh mag sich sonstwas oder gar nichts abgeschnitten haben - er ist schon lange tot und hat seine Ruhe und seinen Frieden (hoffe ich zumindest).
Aber ich lebe noch.
Noch.
In der vergangenen Nacht habe ich nach über drei Monaten, die von brutalsten Dauerschmerzengeprägt waren meinen Kampfgeist, meinen Humor und meine Tapferkeit verloren. Unbeschreiblich starke Schmerzen sind es, und zwar an jedem einzelnen Tag, mit höchstens ein paar schmerzfreien Stunden zwischendurch, die sich dann anfühlten wie ein Spaziergang im Paradies. Aber auch die sind seltener und seltener geworden. Dafür nehmen die Schmerzen stetig zu und zu und zu. Und immer noch mehr davon. Yeah, come on, baby, give it to me.
Für Tapferkeit bekommen manche Orden. Andere einfach nichts.
Ich habe aufgegeben, weil irgend etwas in mir zerbrochen ist. Ich nehme an, weil auch die letzte und wahrscheinlich letzte Erhöhung von Oxycodon in retardierter und nicht retardierter Form nur für ca. drei Stunden Linderung gebracht hat. Eigentlich sollte es für 12 Stunden wirken, bis zur nächsten Dsis von 30 mg.
Ich nehme inzwischen stramme 60 mg Targin (retardiert) und bis zu 50 ml Oxynorm (unretardiert) ein, pro Tag. „Bei Bedarf höchstens jede Stunde bis zu 0,7 ml einnehmen“ steht auf dem Fläschen. Bedarf ist jetzt: durchgehend.
Trotzdem der um ein Drittel erhöhten Dosierng habe ich diese Nacht wieder einmal kein Auge zugetan, obwohl alle therapeutischen Maßnahmen (neben der Medikation auch die 7 Wochen währenden Bestrahlungen jeden Werktag und der drastische Eingriff in den männlichen Hormonhaushalt) jede für sich genommen und erst recht in der Kombination irrsinnig müde und schlapp machen. Dazu die durch die Strahlen ausgelöste andauernde heftige Übelkeit, die entsetzliich juckende trockene Haut überall (ganz schlimm da, wo die Prostata und das Lymphsystem im Beckenbereich bestrahlt werden, da darf ich aber auf keinen Fall kratzen) und zu allem auch noch die durch den Hormonentzug verursachten häufigen Hitzewallungen, manchmal alle fünf Minuten... es ist zum Verzweifeln und genau an diesem Punkt bin ich jetzt angelangt.
Ich mag nicht mehr.
Ich
kann nicht mehr.
Nein, jetzt ja nicht die Polizei rufen wegen vermeintlicher Suizidankündigung - der Notausgang wäre mir in
jeder Situation zu billig. Aber ich bin ratlos, zutiefst demoralisiert und körperlich durch alles zusammen so geschwächt, dass auch Kleinigkeiten zu furchtbaren Hürden werden. Weil ich täglich abführen muss, damit die Strahlen nicht den hochempfindlichen Darm treffen, ist eine weitere Gewichtsabnahme vorprogrammiert. Essen kann ich seit vielen Wochen nur wie ein Spatz, und selbst das ist mir noch zu viel: Ich kotze ganz schön was zusammen Mein Kühlschrank ist voller verschimmelnder Versuche, mir selbst leckere Angebote zu machen, Brot wird kistenweise hart, weil ich es einfach nicht den Hals runterbringe.
Tja, hier stehe ich nun und kann nicht mehr.
Was nun?
Keine Ahnung.
Aufgeben gilt nicht. Aber was dann?
Ich weiß es nicht. Zumindest jetzt nicht. Vielleicht kommts ja wieder.
Ich glaube, ich fange jetzt an, Geige zu spielen. Nicht streichen, nur zupfen. Und schlagen. Warum nicht Michael Jacksons „Beat it“ probieren? Das geht im Liegen, das Ding, das mir vor sage und schreibe genau 50 Jahren so viel Qualen und Unglück gebracht hat, bis die Tortur nach einem Jahr ein Ende fand, dieses Instrument ist klein und leicht genug und drückt somit nicht auf den biologischen Kriegsherd, den Alien, den höchst ungebetenen Gast in mir.
Photonen schießen die jeden Tag in mich rein. Irre.
Teile von mir werden also mit Licht teilweise zerstört, damit der Rest noch ein wenig weitermachen darf.
Lichtschwerter!
Ja,bin ich denn im Kino???