Entschuldige bitte, kennen wir uns persönlich? Wie kommst Du zu der Einschätzung meiner Person und meines Zustands, wenn Du mich nicht einmal vor Dir siehst und auch keinen Vergleich haben kannst, wie ich denn sonst so bin? Sind denn hier auf einmal alle zu Hobbydiagnostikern auf Distanz geworden? Wieso gehst Du davon aus, dass ich mich
nicht hinterfrage? Ich mache das doch, und zwar dauernd, schon seit Jahren. Auch jetzt. Ganz besonders in diesem Jahr! Einen Beweis bin ich Dir ebensowenig schuldig wie diese Antwort.
Auch wenn das jetzt herb geklungen haben mag, es ist nicht unfreundlich gemeint. Du spielst da mit Zündschnüren, die Du nicht kennen kannst. Für die guten Wünsche danke ich Dir jedenfalls herzlich.
Diese permanente, aber nicht überängstliche Selbstreflexion habe ich mir antrainiert als wichtigste Grundlage für den selbstbestimmten Umgang mit meiner manisch-depressiven Disposition. Das kann man auch hier im Forum irgendwo nachlesen.
Nur Selbstbeobachtung reicht aber bei dieser Diagnose nicht aus. Deshalb habe ich einen kleinen Kreis von Menschen an meiner Seite, die ich jederzeit erreichen kann und die mir bei aller gegenseitigen Sympathie
immer ehrlich sagen, wie sie mich einschätzen - und ich höre auf sie. Dieses kleine Netz von absolut Verlässlichen wird im Forum gerade als „Verschwörungsgruppe“ oder so ähnlich bezeichnet. Geht‘s noch? Muss ich etwa ganz allein und ohne jede Unterstützung sein, damit man noch leichter auf mich einhauen kann? Es sieht fast so aus.
Mein „Team“, meine „Crew“ setzt sich nur aus Menschen zusammen, die es NIE scheuen, mir die Wahrheit zu sagen, mich also niemals schonen, weil sie vielleicht Respekt oder sogar Angst vor meiner Reaktion haben oder weil sie mich nicht verletzen wollen - was nur zu menschlich wäre in einer so engen Freundschaft. Basis unserer Beziehungen ist absolute Offenheit und Transparenz. Sonst wäre das ganze Konstrukt niemals lebensfähig, das kleine soziale Netz nicht tragfähig. Ich frage diese Menschen auch vor der Veröffentlichung von allen wichtigen Texten um ihre Meinung und lasse mich gerne korrigieren oder mich auf Fehlendes hinweisen.
Mit der Methode „Selbstbewusstsein“ (im wahrsten Sinne des Wortes) war ich sehr lange stabil, ab Ende 2003 bis Ende 2017, um genau zu sein. Und das auch noch über weite Strecken bei allem Stress durchs immer weiter ausufernde Ehrenamt ohne jedes Medikament, über ein paar Jahre mit der winzigen, nur schlafanregenden Dosis eines Neuroleptikums, nun schon längere Zeit wieder gar nichts mehr. Deshalb
wurde ich ja von irgend so einem Verein recht weit rumgeschickt; ich bin in Seoul, Toronto und Amsterdam als so etwas wie ein Vorzeigepatient bei internationalen Kongressen mit meiner Lebensgeschichte aufgetreten. Die Referate in Deutschland und in der Schweiz möchte ich gar nicht zählen. Damit möchte ich nicht angeben, keineswegs. Alles, was ich wollte, war, ein Beispiel zu geben dafür, dass man es auch schaffen kann ohne Batterien von Medikamenten, ohne und Klinikaufenthalte und Angst und sozialer Zerstörung.
Ich bin auf diese selbst erarbeitete und unter vielen Schmerzen geborene Expertise in eigener Sache nicht etwa stolz, aber glücklich bin schon deswegen, das gebe ich zu. Darf ich ja auch sein. Es hat ja sehr lange funktioniert und wird es auch weiter tun, da bin ich mir sicher. Wenn man sich erst einmal wirklich kennt, kann man das nicht wieder verlernen, selbst manisch nicht (da mögen jetzt wieder einige aufjaulen, bei denen es nicht so ist, die aber der felsenfesten Überzeugung sind, es müsse auch bei allen anderen so sein wie bei ihnen selbst).
Allerdings ist diese Expertise nicht sehr haltbar, auch wenn sie im Lauf der Jahre von vielen „Profis“ anerkannt wurde. Meine bittere Erfahrung in diesem seltsamen Jahr war, dass mir sämtliche Fähigkeit zur Selbstkontrolle sofort aberkannt wurde, von nahezu allen „Psycho-Bekanntschaften“, schon als nur der Verdacht im Raum stand, ich sei nun doch wieder mal manisch. Plötzlich wussten es alle besser als ich, was mit mir los sei, egal, was ich auch tat: es war krank und nichts anderes.
Und kurz nach „Ausbruch des menschlichen Vulkans mit dem Januskopf“ fing auch schon das beliebte Verdrehen von Aktion und Reaktion an. Immer wenn ich wieder von einem neuen Detail meiner Entmündigung erfahren habe, zufällig, weil ich NIE eine Information darüber bekommen habe, bin ich - verständlicherweise, hoffe ich, hochgegangen. Wenn dauernd hinter seinem Rücken entschieden und agiert wird, ist die Erkenntnis darüber auch für Nicht-Maniker äußerst provozierend und/oder verletztend. Wurde ich dann aber laut, hieß es sofort: „Da haben wir es ja! Typisch manisch! Jetzt ist er verbal aggressiv! Dysphorisch!!“
So ewas geschah nicht nur einmal. Ich müsste das mal nachzählen, ich habe ja alles dokumentiert. Jedenfalls ist das Gefühl der Ohnmacht abgrundtief, das sich bei der Erkenntnis einstellt, dass als „krank“ gewertet werden kann, was immer man auch macht oder unterlässt. Versuche mal zu beweisen, dass Du zwar anders bist, aber nicht spinnst! Es wird Dir nicht gelingen, ich schwör’s.
Sehr ernüchternd, aber auch höchst interessant ist das alles, müsste ein Festessen für Soziologen sein eigentlich. Und es geht ja immer noch weiter, fast ein Jahr seit Beginn dieser „Krise“. - Hierzu eine kleine Frage in die Runde: Wie lange dauerte eure längste Manie? Also eine „echte“, keine Hypomanie? Wäre interessant zu wissen. Mir wird hier nach ca. 11 Monaten immer noch die gleiche blühende Manie attestiert wie am Anfang. Erstaunlich ist das, erstaunlich.
Zur Führerscheingeschichte fehlen natürlich noch jede Menge Details, die Vorgeschichte und was danach passierte. Aber die stehen dann in dem Buch, an dem ich arbeite. Wer wollte das denn noch lesen, wenn ich hier schon alles erzähle?
Grüße,
M.