Hallo roobb, Hallo nebulos,
danke Euch beiden, dass Ihr Euch so intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Ihr habt mir da einige wichtige Anregungen gegeben. Tatsächlich ist es eine der Hauptschwierigkeiten für mich, die Dinge auseinander zu halten. Lithium wurde bei mir in der abklingenden Depression angesetzt, aber ist die deshalb jetzt schon vorbei? Durchaus möglich, dass nicht. Zudem war mein aktuelles Jahr auch von einer massiven Lebenskrise (primär beruflich) geprägt. Diese Krise ist natürlich nicht plötzlich ausgestanden. Eine bittere Einsicht über meine Kindheit kam auch noch drauf. Und dann dürfte ich auch meine Schwierigkeiten damit haben, die Schwere meiner Krankheit korrekt einzuschätzen. Dass ich die auch akzeptieren muss, kommt sowieso noch dazu.
Mit Klinikaufenthalten hätte ich meine Probleme, vor allem auch, weil meine erste heftige Manie während eines stationären Aufenthaltes auftrat. Es ist exakt das Problem mit mangeldem Rückzugsraum, mit Schutz, den ich für mich selber brauche, sonst geht mir alles viel zu schnell viel zu nahe. Das führt bei mir dann zu sozialem Stress und Stress kann direkt in die Manie führen. Alle meine manischen Episoden hatten (sozialen) Stress als Auslöser.
Es ist ein komplizierter Balanceakt, wenn einem auf der einen Seite Dinge mit Menschen immer anstrengend sind (wenn auch natürlich oft sehr schön), einem das einsame Grübeln auf der anderen Seite aber schnell zu viel wird.
Aber der Zeitraum 1 Jahr als Durchschnitt für Lithium ist mal was Handfestes. Es ist so schwer, Verlässliches über die Komplikationen zu Beginn zu erfahren. Zudem scheint mir mittlerweile, dass Lithium eben ein heftiger Stoff ist und eigentlich alle am Anfang mit diesem oder jenem zu kämpfen haben. Mal so heftig, mal so lange, immer unterschiedlich, aber fast unausweichlich. Darüber wurde ich nicht informiert. "Allgemein gut verträglich." war, was ich darüber erfahren habe. Etwas wenig, wie ich heute denke.
Ich habe jetzt auch den Eindruck, dass sich eigentlich keine(r) bei der Zuordnung/ Einschätzung der Nebenwirkungen sicher ist. Da spielen immer viel zu viele andere Faktoren mit rein. Und da ich immer einer von denen war, die viel (auch an sich selber) gezweifelt habe, fällt mir da Gewissheit noch schwerer. (Das Problem dürften auch viel haben.)
Aber schon durch diesen Chat-Verlauf beginne ich, meine Sicht etwas zu verschieben. Es sieht für mich derzeit so aus, dass meine Lithium-Nebenwirkungen zwar höchst lästig, aber in ihrer Ausprägung im Bereich des Normalen angesiedelt sind. Und ich beginne zu akzeptieren, dass ich wohl frühestens in einem halben Jahr beginnen sollte, mich ernsthaft zu beklagen. Wenn dann noch Grund besteht.
Was Geduld für mich ebenfalls schwierig macht, das ist der Blick nach vorn. "Ein Mann muss Geld verdienen". Werde ich wieder arbeiten können? Wann? Als was? Vollzeit? Frührente? Reicht die zum Leben?
In meinem alten Beruf werde ich nicht mehr arbeiten können. Was wird also aus mir?
Das sind Sorgen.
Das wäre ein weiterer "weicher" Faktor, der Einfluss auf die Ausprägung meiner Nebenwirkungen haben könnte.
Es geht ja nie darum, wie Nebenwirkungen objektiv sind, es geht nur darum, wie sie empfunden, wie sie bewertet werden.
Und da könnte dann auch noch ein Aspekt von Aufbegehren gegen die Entmachtung mit drin sein. Denn derzeit hat die Krankheit die Kontrolle. Ich habe keinen Einfluss auf die Wirkung der Pille, keinen auf die Nebenwirkungen oder deren Ausprägung oder Grad. Es passiert, wie es passiert. Ich kann nichts zur Beschleunigung beitragen. Der Ansetz-Verlauf gibt mir vor, was ich kann oder nicht kann. Er gibt mir vor, wann ich etwas kann.
Vermutlich will ich mehr Kontrolle, als die Krankheit mir derzeit gewährt.
Ich glaube, diese Gedanken bringen mich weiter. Danke an alle.
LG ............. Brickman