Re: Dauer Klinikaufenthalt

29. 11. 2018 02:38
Hallo lelomi,
wie lange so ein Klinikaufenthalt wird, ist von vielen Faktoren abhängig.
Geht er freiwillig rein, bestimmt er im Prinzip die Aufenthaltslänge insofern selbst, dass er nur dort behalten werden kann, wenn er das auch noch will und keine Suizidalität vorliegt. Die maximale Länge ist auch von mehreren Faktoren abhängig, sogar davon, in welchem Bundesland und in welcher Klinik er ist, mit welchen Diagnosen er da hinkommt usw. und nicht zuletzt, auf welche Medikamente er anspricht oder eben nicht anspricht.
Krankenhaus ist immer eine Notfallgeschichte, ein Krankenhausaufenthalt geht meist nur solange, bis der Patient als "stabil" entlassen werden kann bzw. auf eigenen Wunsch entlassen wird.
Und was man so als stabil bezeichnet, ist sehr unterschiedlich...
Die Sache ist immer nur der Anfang. Was danach kommt, ist das eigentlich Wichtige, wem nützt es, wenn er als stabil aus einem sicheren Umfeld abseits seiner Alltagssorgen entlassen wird, und dann wieder in das Loch seiner Realität fällt, in der er die Trümmer seiner letzten Manie vorfindet, die Scham usw.usf. ...
Wichtig ist, dass er sich dafür alle Hilfe holt, die er braucht. Und was da vom Betroffenen als hilfreich empfunden wird, kann sehr unterschiedlich sein. Medikation ist nur ein erster Anfang, und wie lange und wie gut sie hilft, ist kaum vorhersehbar, das braucht auch längere Zeit als die im Krankenhaus. Und dann ist die Frage, ob er vielleicht eine psychotherapeutische Hilfe möchte, oder vielleicht eher Gespräche mit Sozialarbeitern beim Sozialpsychiatrischen Dienst oder einer Einrichtung im kirchlichen Umfeld oder oder oder. Da gibt es viele Möglichkeiten und nicht jede hilft jedem. Auch Selbsthilfegruppen können, aber müssen nicht unbedingt helfen.
Meiner Meinung nach ist die medikamentöse Seite die Voraussetzung für alles andere, d.h. die Bereitschaft, grundsätzlich Medikamente als Stütze einzusetzen und die Ausdauer mitzubringen, auch lange Zeiträume und Anstrengungen einzuplanen, die Einstellungen und Umstellungen benötigen. Das ist kein Pappenstiel. Das kann einen sehr auslaugen, Nebenwirkungen mit erwünschten Wirkungen abzuwägen, evtl. neue Medikamente auszuprobieren, wieder abzuwarten (insbesondere bei Antidepressiva, die meist einen längeren Zeitraum benötigen, um entweder zu wirken oder sich als wirkungslos oder dauerhaft zu nebenwirkungsbehaftet herausstellen) ... Sowas ist dann nicht nach einem Krankenhausaufenthalt abgeschlossen, sondern oft immer noch am Anfang. Sowas kann - wortwörtlich - Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis eine akzeptable Medikation gefunden ist (im Schlimmsten Falle). Ganz davon abgesehen, dass Wirkungen sich mit den Jahren verändern können.
All das ist unter Umständen sehr anstrengend, körperlich wie psychisch, und in 6 Wochen nicht unbedingt zu schaffen, es sei denn, man landet einen Glückstreffer. Und wie gesagt - langfristig sieht das alles nochmal ganz anders aus.
Je mehr er dabei selbst entscheidet, desto besser. Denn darum geht es eigentlich - soviel Selbstbestimmung wie möglich zurückzubekommen. Und - das gefällt nicht unbedingt auch den Angehörigen, selbst wenn sie sich auf der Seite des Betroffenen sehen. Oft ist es für Angehörige sehr viel angenehmer, wenn der Betroffene irgendwo im sub-klinischen depressiven Spektrum umherkrebst, als wenn er auch nach oben hin wieder einen Schwingungsspielraum erhält, der ihn zwar lebendiger, aber auch anstrengender macht.
Wollte ich mal so als Denkanstoß in den Raum werfen ...
Angehörige sind oft froh, wenn der Betroffene in eine Klinik geht. Für den Betroffenen ist es meist nur die letzte Möglichkeit, die sie sehen, oder eben sogar nicht einmal freiwillig, und der Verlust von Privatsphäre und andere mögliche Erlebnisse, die Betroffene in Kliniken haben können, sind nicht selten selbst sehr traumatisch und müssen anschliessend vielleicht erst einmal verarbeitet oder (wenn man Trauma-Bearbeitung eher kritisch sieht, wie ich) vergessen werden bzw. verblassen ...
Ich selbst meide Kliniken wie die Pest aufgrund eines kindlichen Traumas. Ich freue mich aber für jeden, der diese Reissleine für sich rechtzeitig ziehen kann und dort auch Hilfe erfährt. Psychiatrie ist ein sehr zweischneidiges Schwert. (Und ja, ich weiss, dass man "zweischneidig" in diesem Sinne nicht steigern kann, aber mir fällt keine bessere Metapher ein....)
Ich wünsche euch viel Glück, und dass sich alles zum Guten entwickelt...
LG,
M.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Dauer Klinikaufenthalt

Lelomi 1375 25. 11. 2018 23:03

Re: Dauer Klinikaufenthalt

texorak 540 26. 11. 2018 00:43

Re: Dauer Klinikaufenthalt

MomOfTwo 594 27. 11. 2018 12:53

Re: Dauer Klinikaufenthalt

hanitas 454 27. 11. 2018 13:29

Re: Dauer Klinikaufenthalt

MomOfTwo 446 27. 11. 2018 17:25

Re: Dauer Klinikaufenthalt

georg 489 28. 11. 2018 02:13

Re: Dauer Klinikaufenthalt

zyklothym 1005 29. 11. 2018 02:38

Re: Dauer Klinikaufenthalt

georg 424 30. 11. 2018 00:43

Re: Dauer Klinikaufenthalt

VanGogh 602 30. 11. 2018 14:33



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicken Sie hier, um sich einzuloggen