Hi mauz,
ich bin nun 5 Jahre EM-berentet. Das hatte ich mir vor 6 Jahren auch noch anders vorgestellt.
Aber de facto bin ich zwangsberentet worden.
Wie sieht das Leben nun für mich aus? Die Rente ist Essig. Ich habe lange studiert und war 2x selbständig, ergo bin ich auf Grundsicherungssatz. Finanz ist also Minimum, wie vor 30 Jahren als Student. So stellt sich das niemand vor, der sich in Streßjobs aufgerieben hat.
Aber - wie geht es mir?
Ich lebe einen zurückgezogenen Lebensstil, habe wenig Stress von außen, und habe meine Medikation vor 2 Jahren oder so umgestellt. Ich habe Neuroleptika auf Bedarf 25mg bis oben offen unretardiert, statt 300mg Sero retard täglich. Man muss dazu sagen, dass ich meine Hochzustände sehr gut managen kann, ich haue sofort medikamentös dazwischen, wenn ich einen Anstieg nach oben merke, der bei mir meist sehr schnell und ruckhaft ist, also auch leicht zu erkennen. Mein Problem sind immer die schleichenden Depressionen, die immer länger und tiefer wurden mit den Jahren, während die Hochzustände bei mir abflachten. Benzo in ein paar Wochen Abstand für ein paar Tage, um meinen Angstpegel (generalisierte Angststörung) wieder auf ein entspanntes Maß zurückzuschrauben, und auch als Bedarfsmedi. Uuund ich habe mit Elontril wohl das AD meiner Wahl bekommen. Es gab ja die Vermutung, die hier auch einige äußerten, dass ich auch ein Erwachsenen-ADS haben könnte. Ich glaube, das kann man inzwischen als Fakt bezeichnen, denn das Elontril bewirkt bei mir deutlich mehr als nur antidepressive und antriebssteigernde Wirkung, also eine Veränderung der Wahrnehmung und Konzentration.
Unter Arbeit wären solche Veränderungen niemals praktikabel gewesen, denn das geht nur so, weil ich meinee Stresspegel selbst besser managen kann.
Durch den Wegfall von Sero als Dauermedikament und das positive Ansprechen auf Elontril kann ich wieder Musik machen, was ein riesiges Geschenk ist, denn unter Sero und Depressionen konnte ich meine Instrumente kaum 5 Minuten anfassen, ohne über den Verlust jeden Spielgefühls in Tränen auszubrechen.
Ich habe wieder eine Band (mit jungen Leuten), mache sogar die Musik, die ich mich früher nicht getraut hätte.
Kaum zu glauben, was mir etwa 20 Jahre gefehlt hat, ist einfach wieder da.
Kann man sowas mit Geld kaufen? Nein.
Klar - mir fehlt als Single eine klare Struktur, aber andererseits - niemand sagt mir, was ich tun soll. Niemand kann mir mehr was, wenn man es genau nimmt. Ich habe sozusagen die gesellschaftliche Narrenfreiheit, die viele glauben, gerne haben zu wollen. Ich kann das tatsächlich als positiv betrachten, und würde das erstmal so auch nicht gegen irgendwas anderes eintauschen. Ich muss mich gegenüber niemandem verstellen, wer mir blöd kommt, fliegt aus meinem Leben eben raus. Sowas kann man im Erwerbsleben wohl kaum. Ich mache NUR noch Dinge, die ich auch machen WILL. Kann man mit Geld nicht bezahlen.
Ist das leicht? Nein. Aber es ist ein Weg, den viele mit unserer Krankheit - meist früher, als sie es erwartet haben, gehen MÜSSEN. Ob man noch arbeitsfähig ist, entscheidet man im Ernstfall nicht mehr selbst.
Du hast in deiner Situation ja noch eine stützende Familie, also eine Struktur, die dir ja nicht wegfallen müsste.
Deine Familie hat aber nicht zu "bestimmen" inwiefern du noch arbeitsfähig bist, oder inwiefern du mit bipolarer Störung einfach so funktionierst, wie sie es gerne hätten. Das ist kein Wunschkonzert.
Wenn du merkst, dass es einfach nicht mehr geht, würde ich das mit deinem Psychiater besprechen. Wie schätzt er dich ein? Vielleicht unterstützt er eine Berentung, vielleicht hat er andere Vorschläge, um deine Situation zu verbessern. Sprich es einfach beim nächsten Mal an, und erzähle, wie es dir gegangen ist. Wenn du affektiv sogar Suizid in Betracht ziehst - völlig egal, ob es nach ein paar Minuten wieder weg ist, oder nicht, dann ist das ein ganz großes Alarmsignal in rot. Wer kann denn garantieren, dass du nächstes Mal nicht vor ein Auto läufst oder tatsächlich deine Medis alle einschmeisst? Das ist keine Arbeit der Welt wert.
Wollte ich nur mal gesagt haben.
Ich wünsche dir alles Gute und dass du alles mit vernünftigen Lösungen halbwegs ins Lot bekommst,
M.