Bipolar & Suizidalität - Der Feind in dir selbst

06. 08. 2018 07:22
Ich lese immer wieder, wie hier viele User in ihrer Geschichte angeben, sie hätten einen oder mehrere Selbstmordversuche hinter sich. Ich selbst auch, hab mehrfach versucht mich umzubringen. Aber lassen wir erstmal die Ärzte sprechen über die Bipolare Störung, ich zitiere:

Quote

Nicht zu unterschätzen ist auch das erhöhte Suizidrisiko: Ungefähr 25 % bis 50 % aller Menschen mit bipolarer Störung unternehmen mindestens einen Suizidversuch. Etwa 15 % bis 30 % der Patienten töten sich.

Nun, meine Ausführungen dazu:
Die Bipolare Störung ist, anders als physische Krankheiten wie Krebs, nicht in der Lage, dich physisch zu töten. Wenn man jedoch zu tief in die Depression gerät und in Gefahr läuft, Suizid zu begehen, dann kann einem die Bipolare Störung sehr wohl am Ende "töten". Nicht direkt, aber indirekt.

Hätte ich mich erstmals getötet, 2003, vor also 15 Jahren, hätte ich all das, was ich in den 15 Jahren erlebt hab, niemals erlebt. Die Welt hätte sich zwar weitergedreht, von mir wäre aber nur eine Erinnerung und ein Name auf einem Grabstein zurückgeblieben. Ich würde auch nie hier sitzen und dies tippen.

Ab einem gewissen Punkt sah ich, das eben nicht die Bipolare Störung mich tötet: Sie sagt mir zwar, das ich in der Depression mir das Leben nehmen soll. Aber: Ich bin es selbst, der die Handlung, die zum eigenen Tod führt, ausführt. Der, den letzten Schritt macht, weil sein Kopf ihm sagt, er solle es beenden und all diesem Leid und der Depression entkommen.

Nunja, ich habe diesen Punkt schonmal überschritten, den letzten Schritt getan und die Ärzte haben um mein Leben gekämpft, mich reanimiert.

Da ist mir nachher der Groschen gefallen: Selbst der Staat hat alles versucht, um mich zu retten. Ist mit dem Notarzt, der Sanität und der Polizei angekommen. Und als dies auch nicht reichte, kam die Kavallerie in Form vom Rettungshubschrauber. Aber selbst das reichte alleine noch nicht: Bis zum bitteren Ende, wo die Ärzte zum Defibrilator greifen und versuchen, mittels Strom nochmal dein Herz anzuregen, damit du wieder einen Puls hast.

Ich habe mich aufgegeben gehabt, aber die Menschen um mich herum, die haben mich nicht aufgegeben. Diese Leute haben in jener Nacht einen Kampf geführt, den Kampf um mein Leben. Und sie haben es geschafft, dass ich nochmal zurückkam.

Darum musste ich einsehen, zum Glück: Selbst als ich dachte, ich wäre am Ende und sogar selbst meinen Suizid eingeleitet habe, kam jemand und rettete mich. Andere hatten weniger Glück, ich will gar nicht denken, wieviele Menschen schon deswegen starben.

Viele Jahre später stand ich erneut an einem Punkt, wo ich mir zumindest überlegte, mein Leben zu beenden. Aber dann habe ich gemerkt, das ich es eben bin, der Mensch selbst, der physisch die Handlung einleitet, die ihn schlussendlich umbringt. Wenn man diesen Gedanken widersteht, die Erlösung zu suchen im Suizid und wenn man sich bewusst macht, das es immer Hoffnung gibt und das man immer wieder im Leben auf die Beine kommen kann, dann kriegt man eine weitere Chance. Kann wieder zurück und nochmal sein Leben in den Griff kriegen.

Die Bipolare Störung kann mich alleine nicht töten: Sie kann mir nur sagen, ich selbst soll mich töten. Solange ich mich weigere, diese Handlung auszuführen, solange kann ich alles überleben.

Darum, an euch aus meiner eigenen Erfahrung meines Lebens:
In jenem Moment, wo du Suizid begehen willst und anfängst, die entscheidende Handlung einzuleiten, wie etwa auf der Brücke zu stehen oder dir eine Waffe an den Kopf zu halten, denk daran, das die Bipolare Störung dir das nur einreden kann, das du es tun sollst - aber solange du sagst "Nein", wird alles vorübergehen. Die Bipolare Störung kann nicht selbst den Abzug betätigen, nur du kannst es als Mensch.

Soviele Probleme, all das Leid, all die Belastung, all die Momente in denen du nicht weiter weisst und kein Licht mehr siehst am Horizont, man kann all das überstehen: Solange man nicht selbst den letzten Schritt tut. Man muss verstehen, das man niemals alleine ist. Das Menschen selbst noch dann um einem kämpfen, wenn man den letzten Schritt bereits getan hat.

Wer am Ende ist, sollte doch dem Leben nochmal eine Chance geben. Nochmal auf den Sonnenaufgang warten. Nochmal eine Zigarette rauchen. Nochmal rausgehen an die frische Luft,vielleicht kriegt man ja den Kopf frei von der Depression. Nochmal eine Stunde warten. Nochmal überlegen, ob man wirklich sich selbst mitsamt seiner Identität, seiner Persönlichkeit, seinen Träumen und all dem wirklich beenden & beerdigen will.

Wie gesagt: Denk darüber nach, bevor du jemals diesen finalen, letzten Schritt tun willst, das dein Leben erst ab dem Zeitpunkt vorbei ist, wo du physisch endgültig tot und wirklich nicht wiederzubeleben bist. Aber: Es ist der Feind in deinem eigenen Kopf, der dir sagt, das du es tun sollst mit dem Selbstmord.

Hör nicht auf diesen Feind. Gib ihm niemals die Macht, über dein Leben zu bestimmen. Weise den Feind zurück und dann gehe zurück, dann lebst du weiter. Natürlich, es gibt nach wie vor die Probleme, aber: Diese Probleme kann man lösen. Es gibt für jedes Problem im Leben eine Lösung. Es geht immer weiter. Es kommt immer eine neue Chance. Ein neuer Tag. Ein neuer Sonnenaufgang. Und irgendwann steht man viele Jahre später da und sagt sich "Zum Glück habe ich nicht Suizid begangen; zum Glück habe ich überlebt"

Vielleicht kann mich ja der eine oder andere hier verstehen. Es sind auch Zeilen der Hoffnungen, aber auch des Schmerzes, gerade wenn man mit eigenen Erinnerungen konfrontiert wird. Aber am Ende: Wenn man da steht und sich selbst töten will: Tu es nicht. Sag Nein und geh zurück, um dem Leben eine neue Chance zu geben.

Gruss
Wesker

P.S.
Nachdem ich jetzt mir das von der Seele geschrieben habe, werde ich wen beerdigen gehen, mit dem 10 Jahre lang zusammen gelebt habe (nein, nicht mein Hund, der lebt noch). Aber: Ich werde nicht in die Depression verfallen und ich werde nicht mir was antun, ich werde nicht meinen inneren Schweinehund in Form der Depression nochmal soweit gehen lassen, dass ich mich versuche umzubringen.

Ich habe abgeschlossen. Aber nicht etwa mit dem Leben, nein, sondern abgeschlossen mit meiner eigenen Suizidalität.
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Wesker 1052 06. 08. 2018 07:22

Re: Bipolar & Suizidalität - Der Feind in dir selbst

Wesker 392 06. 08. 2018 18:40

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Zora 422 07. 08. 2018 21:53

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Eternity 370 08. 08. 2018 00:25

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Wesker 335 08. 08. 2018 00:55

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Wesker 353 08. 08. 2018 02:18

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Wesker 324 08. 08. 2018 02:13

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Supernova21 424 08. 08. 2018 00:24

Re: Bipolar & Suizidalität - Der Feind in dir selbst

RidersOnTheStorm 438 08. 08. 2018 21:12



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