Bei mir klappt es eher seltener, wenn ich direkt versuche, etwas Ärgerliches oder gewisse Menschen in einem positiven Licht zu sehen ("Reframing"). Oder versuche, mir gegenüber stattgefundene unmögliche Äußerungen, Handlungen usw. irgendwie zu relativieren, zu entschuldigen usw.. Mich also mit dem Geschehenen oder den darin verwickelten Akteuren unmittelbar auszusöhnen. Oder mich durch bewusstes Auseinandersetzen direkt aus meinem Ärger hinauszumanövrieren.
Das Nichtzulassenwollen bestimmter Gefühle (wie Ärger oder depressiver Stimmung) ist sogar der beste Weg in en Kreislauf hinein, der die Gefühle, die ich nicht haben will, noch aufrecht erhält. Das erlebte ich lange Zeit in Bezug aufs Ärgern. Ich ärgerte mich über gewisse Erfahrungen (wie z. B. meinen ersten Psychiatrieaufenthalt im Jahr 2007). Und ärgerte mich dann infolge dessen noch mehr über diese ursprünglichen Erfahrungen, weil sie diesen Ärger nach sich zogen, der Zeit und Energie kostete. Ärgerte mich also über den Ärger. Ärgerte mich dann noch über den Ärger, den ich über den Ärger habe. Und wo weiter und so fort. Ähnlich ist es, wenn ich depressiv bin und mir sage "Ich darf nicht depressiv sein."
Wenn ich merke, dass in mir Ärger über Menschen oder Erfahrungen aufsteigt, versuche ich meistens früher oder später, diesen Ärger bewusst zuzulassen oder mich sogar reinzusteigern. Wenn ich unterwegs bin, mach ich das gedanklich. Wenn ich zu Hause bin, eher durch die Niederschrift meiner Gedankengänge. Das führt dann in der Regel zu einem von drei Ergebnissen:
1. Ich erkenne, wie absolut sinnlos und wenig zielführend es ist, mich über einen Mensch oder eine Erfahrung aufzuregen. Oder denke etwas komplett anderes. Denke etwa an in der Zukunft liegende Ziele o. ä.
2. Ich erkenne, dass das geschehene Unglück einen positiven Aspekt hat. Und aufgrund dieser positiven Folge nichts mehr ist, worüber ich mich ärgern muss. Sondern vielleicht sogar noch etwas ist, wofür ich dankbar bin.
3. Nach einer gewissen Zeit des "Rauslassen" besteht kein Bedürfnis mehr, dieses Rauslassen von Wut usw. noch endlos weiterzuführen oder zu wiederholen.
So führt mein Zulassen dann jeweils zu nem mehr oder weniger schnellen Ende von Ärger. Der ewig vor sich hingeschwillt wäre und beständig einen Teil meiner Aufmerksamkeit in Beschlag genommen hätte, wenn ich ihn zu unterdrücken versucht hätte.
Dieses bewusste Reinsteuern in etwas, was nicht da sein soll oder was man nicht haben will, findet man in der Psychologie unter den Begriffen "paradoxe Intention", "paradoxe Intervention" und "Syptomverschreibung".
Das kann dann Verzeihenkönnen oder Gleichgültigkeit zur Folge haben. Auf jeden Fall rege ich mich dann nicht mehr über Menschen oder deren Handlungen auf.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.07.18 18:15.