Hallo Diesel,
als ich ganz zu Anfang durch Klinik und Therapie auch mit diesem "Ich" konfrontiert wurde, wusste ich zunächst auch nicht, was es denn damit auf sich hat und ob es nicht auch egal ist. Konnte ich denn nicht einfach so reden, wie mir der "Schnabel" gewachsen ist?
Wenn
man ständig unterbrochen wird, ist es doch klar, dass
man verärgert ist.
Oder
Dadurch dass
ich ständig unterbrochen wurde, wurde
ich auch langsam ärgerlich.
Der Unterschied zwischen den beiden Sätzen ist, dass die erste Variante eine Tatsache daraus macht, dass es doch allen so geht. Während im zweiten Satz ich mir selber bewusst werde, dass mich die Unterbrechung verärgert hat. Jetzt kann ich mich Fragen, warum hat es mich verärgert.
Es hat mich verärgert, weil ich das Gefühl hatte, es geht den Ärzten/Therapeuten nur ums Prinzip und nicht um den eigentlichen Inhalt, den ich rüber bringen wollte. Ich fühlte mich also nicht wirklich ernst genommen. Erst später verstand ich langsam, worum es bei diesem "Ich"-Bezug denn eigentlich geht.
Wenn man (diesmal tatsächlich verallgemeinernd gemeint) spricht oder schreibt, geht der Inhalt der Sprache nicht nur an den Sender, sonder auch an sich selbst zurück. Erst das Aussprechen von Dingen und Gegebenheiten oder das Aufschreiben, lässt es nochmals richtig bewusst werden.
So stellt eine Verallgemeinerung eher Distanz her und lässt somit die Chance vergehen, dass ich mir bewusst werde, wie es
mir damit ergangen ist, was
ich persönlich denke oder meine, was
ich empfinde, wie
ich zu etwas stehe, was es mit
mir gemacht hat.
Und da vergeht wirklich eine große Chance, denn wenn ich mir selbst bewusst werde, was es mit mir zu tun hat, kann ich auch erst verstehen, wie ich ticke, kann ggf. einen Realitätcheck vollziehen, nach dem Motto: Ist es wirklich so? etc. pp.
Es passiert mir selbst immer wieder, dass ich auf dieses man, uns, wir zurück falle. Da hilft es, wenn mir jemand sagt, hey Heike und wie geht es DIR damit?
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).