Hallo,
ich greife das Thema nochmals auf, da ich durchaus finde, dass dies ein wichtiger Faktor für Lebensqualität, Lebenszufriedenheit und Stabilität ist.
Als ich damals noch in der Rolle der "Kranken-Gestörten" steckte, drehte sich das Leben, meine Gedanken nur in diese Richtung und fühlte sowas wie: "das hier ist also das Ende der Fahnenstange, mehr kann ich nicht mehr von mir erwarten, das wird also mein restliches Leben sein". Das bedingt auch, dass es schwer war, dies zu akzeptieren. Also war es ein immerwehrender Kampf, mit ständigem Versagen als Ergebnis, denn die Phasen kamen halt immer wieder.
Es war ein langer schwerer Prozess, der immer noch andauern, um eine andere Blickrichtung zu wagen. Mir hat geholfen, als ich bemerkte, das die Krankheit/Störung ein Teil von mir bleiben wird, aber eben daneben noch viele andere Teile in mir stecken. Bei mir bewahrheitete sich, was Patricia Deegan sagte, dass wenn man seine Grenzen anerkennt, dann erst der Blick frei wird, für viele andere Möglichkeiten.
Aber eines habe ich bemerkt, ohne eine "Aufgabe" für mich, wäre ich stecken geblieben. Schon damals mein Engagement in einem Kultur-Projekt gab mir wieder Kraft, nochmal was Neues zu probieren. Meine jetzige Tätigkeit ist an meine "Grenzen" weitestgehend angepasst. Trotz dass ich immer wieder auch depressive Phasen durchlaufe, gibt mir aber diese Tätigkeit, auch wenn ich sie ab und zu unterbrechen muss, immer wieder neuen Mut. Ich empfinde Sinn darin und ich glaube, dass ist ein wichtiger Faktor.
Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, Möglichkeiten zu schaffen, dass Menschen, egal mit welchem Handicap, wieder einer Aufgabe nachgehen können, mit ihren Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen.
Ich bemerke immer, wenn ich aufgrund einer Phase aussetzen muss, dass ich dies nicht zu lange machen darf, denn sonst nistet sich die Depri bei mir wieder ziemlich ein. So muss ich für mich eine Balance finden, zwischen Ruhephasen und dann wieder Tätig werden, was nie so ganz einfach ist.
So denke ich, gäbe es für uns schon die Möglichkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens, wären die existentiellen Probleme nicht mehr so gegeben und es bestünde mehr Kraft ohne Angst für sich eine Aufgabe zu suchen, egal, wie oft oder wie lange man darin tätig ist.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).