Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

03. 12. 2017 16:26
Hi.

Das Fenster hier ist schon seit Stunden offen.
Versuche mich zum Schreiben zu bewegen, schiebe es immer wieder auf.

Aber nun will ich mal..

Depressionen vermutlich seit ich 15 bin. War ein fröhliches Kind.
Hab den Verlust meiner Fröhlichkeit immer auf das Mobbing damals geschoben.
Heute denke ich, es war eher der Beginn einer Depression, die irgendwann chronisch geworden ist.

Seit ich nach einem miserablem Hauptschulabschluss ein Jahr vor mich hin vegetiert habe, habe ich versucht "besser" zu werden, ein nützlicher Teil der Gesellschaft, etwas zu erreichen. Habe meinen Realschulabschluss nachgeholt.

Dann ging es ins Berufsleben... Ausbildung angefangen. In einem Ausbeuterbetrieb gelandet und nach einem halben Jahr mit Burnout zusammengebrochen. Bis dato noch keine Diagnose zu Depression oder anderen psychischen Krankheiten.

Habe meine Ausbildung unter Qualen zuendegebracht, regelmäßige Migräneanfälle waren dazugekommen. Danach kurz arbeitslos, purer Stress unter dem Druck vom Amt. Dann hier einen Job angefangen, dort einen Job angefangen... kurzzeitig war ich tatsächlich meist sehr gut in dem was ich tat. Aber ich bin immer nach ein paar Monaten abgestürzt... kam morgens nicht mehr hoch, hatte Heulanfälle, Verzweiflung, sah keinen Sinn mehr.

Habe fast jedes Berufsbild durch in dem verzweifelten Versuch wie andere auch normal zu leben und zu arbeiten.

Der letzte Job (12 Std. Schichten als Sicherheitsfachkraft) und der Tod meiner Mutter haben mir dann den Gnadenstoß gegeben. Mir ging es "endlich" schlecht genug, dass ich erkannte, dass ich ein Problem habe, ein Problem dass ich fast mein ganzes Leben wegignoriert habe. Etliche Projekte angefangen und nie beendet dank der hypomanen Phasen.

Endlich habe ich mir eingestanden, dass mich der Job zerstört und mir schadet, dass ich mich mit meinem Problem auseinandersetzen muss, dass ich unter Depression oder Ähnlichem leide und nicht einfach so "wieder werde". Panikattacken und Angstzustände sind in zu der Migräne und den Depressionen dazugekommen.

Ich leide schon seit meiner Jugend unter Depressionen und der Bipolaren Störung, jetzt offiziell als Bipolar-II eingestuft. Nun bin ich bald 30 und bin am Ende angelangt.

Meine erste und bisher Psychiaterin hat mich mich Sertralin behandelt. Meine Grundstimmung wurde leicht besser, die Hypomanen Phasen wurden allerdings stärker und richtige Manien. Dazu verstärkte sich stark die Häufigkeit meiner Panikattacken und Angstzuständen. Je länger ich auf das Medikament eingestellt war, desto stärker.

Dank der Fürsorge und Beobachtung meines Partners und meines Vaters habe ich bemerkt und aktzeptiert, dass Sertralin mir langfristig schadet und meine Hypomanie in Manie verwandelt, in der ich noch mehr selbstzerstörerische Dinge angefangen habe und Geld in Massen verbrannte.

Mit der Erkenntnis und der Besorgnis ging ich zu meiner Psychiaterin.

Sie empfahl mir stationäre Behandlung im Krankenhaus... eine Therapie... nur um mir eine Minute später zu sagen, dass sie mich für arbeitsfähig hält, mich nicht weiter krankschreiben wird und ich mich mit der "Angst vor der Arbeit" auseinandersetzen und konfrontieren muss.

Dann verschrieb sie mir noch für 3 weitere Monate Sertralin, soll mich über Wasser halten bis ich einen neuen Psychiater gefunden habe.

Lange Rede kurzer Sinn, ihr Wundermittel hat nicht funktioniert und prompt hat sie mich fallenlassen.

Jetzt schleiche ich das Sertralin aus... und fühle mich schlimmer als je zuvor. Nur die Panikattacken sind wieder etwas zurückgegangen, aber sonst habe ich das volle Paket der "Entzugserscheinungen".

Sogar jetzt wo ich einen verdammnten anonymen Post in einem Forum schreibe zittere und schwitze ich, Angst vor jeglicher sozialer Interaktion. Gestern beim Einkaufen im Real bin ich fast zusammengebrochen weil Alles zuviel war.

Ich war ein lebensfroher extrovertierter Mensch, aber seit ich nach dem Tod meiner Mutter in die tiefste Dunkelheit gefallen bin, will ich nur noch meine Ruhe, bin introvertiert, will mich einfach von (fast) Allen isolieren und brauche zwingend meine langen Phasen in denen ich einfach allein bin.

Immer wieder habe ich versucht zu arbeiten, aus finanziellen Gründen, aus gesellschaftlichen Gründen, aber auch in der Hoffnung es gibt mir die Struktur die ich brauche um mich zu stabilisieren. Chronische Migräne, kaputte Handgelenke und Knieprobleme sind nur ein paar der Folgen der verzweifelten Arbeitssuche durch alle Jobs durch.

Ich habe genug davon. Ich kann nicht mehr.

Alles was ich kann und sollte ist den Weg zu finden, mit dem ich am besten mit meiner Störung leben kann.

Das klingt jetzt vermutlich schrecklich kitschig und rebellisch, aber ich habe das Gefühl, dass die "Gesellschaft" mitgeholfen hat mich zu zerstören und mich als fragiles Wrack dass ich nun bin zurückgelassen. Die Erwartungen an einen in dieser Welt, der Druck, der Götze "Arbeit" den man anzubeten hat... nichts davon hat mir je geholfen, es hat mir nur geschadet, mich noch endgültiger beschädigt. Der Weg der Arbeit um mein Leben "auf die Reihe" zu kriegen ist nicht für mich. Ich habe es immer und immer wieder versucht und mich damit selbst gegeißelt.

Geholfen hat mir dagegen mein Partner und die Tatsache, dass er noch arbeiten gehen kann... ich daher zuhause bleiben und den Hausmann spielen kann. Manchmal geht es mir auch dafür zu schlecht, aber er hat unglaubliches Verständnis. Mich um unser Heim zu kümmen und dafür zu sorgen, dass es ihm nach Feierabend gut geht ist all die Struktur die ich brauche um mich am Leben zu halten. Unsere Katzen helfen natürlich auch.

Mein Hausarzt kenn mich seit gut einem Jahrzent und steht hinter mir. Er hält mir die Bluthunde der ARGE vom Leib bis ich einen neuen Psychiater gefunden habe. Aber das ist nur eine temporäre Hilfe.

Ich weiß nun was ich möchte, was ich tun und erreichen muss um halbwegs akzeptabel leben zu können.

Ich möchte einen Antrag auf Schwerbehinderung stellen. Ich möchte Invalidenrente. Ich möchte von der Gesellschaft, der ich unter Einsatz all meiner verbliebenen Gesundheit versucht habe zu geben was sie von mir erwartet, dass sie mich nun einfach nur noch in Ruhe lässt und mir durch Unterstützung ein halbwegs erträgliches Leben ermöglicht. Ich möchte raus aus dem Hamsterrad der ARGE, des Mindestlohns und der ewigen Sorge um Job und Existenz.... all das stresst mich so unheimlich, dass es meinen Zustand nur verschlimmert.

Ich brauche Ruhe, ich brauche Frieden.

Und zwar bald. Denn das Einzige bei dem ich mir bisher absolut sicher war, dass ich mich niemals selbst umbringen würde, selbst da bröckelt langsam die Überzeugung. Ich habe immer noch keine akuten Gedanken daran, nein, aber ich weiß nicht wie viel länger ich dieses quälende Leben noch aushalte, wenn ich nicht bald meine Ruhe vor den Erwartungen der Gesellschaft habe und dem Arbeitsmarkt endgültig den Rücken kehren kann. Denn bis dahin ist alles nur ein Schleifen vom einer Krankschreibung zur nächsten, immer die Angst vor den Bluthunden der Arbeit im Nacken.


Jetzt zittern meine Finger ein bischen weniger. Wer meine Gedanken als Gejammer abtun will, soll das meinetwegen tun... ich habe lange genug gelitten um zu wissen wie es um mich steht. Ich habe oft genug Unverständnis und Verachtung entgegnet bekommen von "normalen" gesunden Menschen.

Niemand von denen wird es jemals wirklich verstehen können. Selbst mein Vater der mich liebt tut sich oft schwer damit.

Das ist meine Geschichte, bis jetzt.

- What can change the nature of a man?
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Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

Stukaneer 2646 03. 12. 2017 16:26

Re: Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

A20213 801 04. 12. 2017 17:28

Re: Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

Eternity 982 04. 12. 2017 20:49

Re: Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

Stukaneer 579 05. 12. 2017 08:17

Re: Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

Aradia 586 05. 12. 2017 00:59

Re: Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

Stukaneer 533 05. 12. 2017 08:29

Re: Bipolar-II: Von Extrovertiert zu Introvertiert, von Versuch zu Fall.

Stukaneer 451 05. 12. 2017 08:10

Konkret anfangen

Lichtblick 573 04. 12. 2017 21:45

Re: Konkret anfangen

Stukaneer 559 05. 12. 2017 08:42

Der richtige Platz für die Gesellschaft

Lichtblick 494 06. 12. 2017 20:30

Re: Der richtige Platz für die Gesellschaft

Stukaneer 525 07. 12. 2017 18:35

Ein kleines Update

Stukaneer 515 07. 12. 2017 18:47

Re: Ein kleines Update. Was steht jetzt vorne

Lichtblick 432 08. 12. 2017 20:16

Re: Ein kleines Update. Was steht jetzt vorne

Eternity 571 11. 12. 2017 00:10



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