Vielen Dank euch allen für eure Antworten.
Medikamentenempfehlungen sind verpönt im Forum - oje - da bin ich natürlich mit dem Sprung ins Fettnäpfchen gestartet. Trotzdem hilft es mir zu hören, welche Erfahrungen ihr gemacht habt, denn ein persönlicher Bericht liest sich ganz anders als die Nebewirkungsliste einer Packungsbeilage.
Insbesondere vielen Dank, Kinswoman, für den langen Bericht. Das fassungslose Gefühl allein dazustehen relativiert sich dadurch etwas.
Ich lese das alles, diese ganzen Medikamentenkombinationen und Wechsel und Krankheitsphasen und Rückfälle und habe dabei einfach nur das Gefühl "ich will nicht!". Es war doch alles gut. So soll es doch einfach nur wieder sein.
17 3/4 Jahre war alles völlig in Ordnung und plötzlich, zu einem Zeitpunkt, zu dem man schon denkt der junge Mensch ist flügge, sitzt am Nestrand und spannt die Flügel aus, um allein zu fliegen, wird alles anders. Ebenso unerwartet wie unerklärlich ist er krank geworden. Innerhalb von wenigen Tagen oder rückblickend vielleicht wenigen Wochen.
Ich habe eigentlich nie die Absicht gehabt über Medikamente zu verhandeln. Tatsächlich mussten wir, zu diesem Zeitpunkt noch erziehungsberechtigt, vom ersten Moment an, entscheiden, was [edit: Realname entfernt] bekommen soll. Abilify oder Seroquel. Beide Medikamente wurden uns vorgestellt, die Entscheidung mussten wir treffen. Entscheidungen, die einen nicht-Psychiater etwas überfordern.
Unter der Hospitalisierung und Medikation wurden die Symptome dann eigentlich erst richtig schlimm. Am Ende konnten uns auch die Ärzte nicht beantworten, ob die psychotischen Symptome und all die anderen verstörenden Veränderungen Krankheitsbild oder Medikamentennebenwirkungen waren. Das ist auch bis heute nicht klar. Was ist Restsymptomatik, was Nebenwirkung von Risperdal.
Insgesamt bin ich nicht ganz davon überzeugt, dass meinem Sohn [edit: Realname entfernt] irgendwelche Medikamente überhaupt geholfen haben. Die Krankheitsphase hat ewig gedauert und ist immer noch nicht vorbei.
Von dem Abilify haben wir gar nichts außer Nebenwirkungen gesehen, Truxal hat floride psychotische Symptome ausgelöst, auch unter Risperdal keine tollen Effekte.
Geholfen hat dann das körpereigene Immunsystem, aktiviert durch eine hochfieberhafte Sommergrippe und 14 Tage rund-um-die-Uhr-Bekümmerung Zuhause.
Das passt wohl auch zu den erschütternden NNTs (numbers needed to treat um einen einzigen Erfolg mehr als unter Placebo zu erzielen), die zeigen, dass man einem Großteil der Patienten nur Nebenwirkungen zumutet, ohne dass der Effekt über dem eines Placebos liegt. All diese Medikamentencocktails, bestehend aus Neuroleptika, Antidepressiva, Stimmungsstabilisatoren - das ist doch unheimlich. Da weiß man doch gar nicht wirklich, was das eine mit dem anderen macht und das dritte soll gegen die Nebenwirkungen des zweiten gegensteuern. Und von den eigentlichen Krankheitssymptomen kann man die Nebenwirkungen gar nicht wirklich unterscheiden.
Nein, das sage ich ihm natürlich nicht, denn ich bin froh, dass er so eine gute Medikamententreue hat und so gut führbar den Anweisungen seiner Ärzte folgt. Trotzdem lässt es mich sehr darüber nachdenken, ob die nur fraglich vorhandene Wirkung die schweren Nebenwirkungen wert sind.
Ich bin im Gesundheitssystem Zuhause, habe grundsätzlich eine positive Einstellung zu Medikamenten - aber die psychiatrische Medikation ist da eine ganz andere Hausnummer als das Pille-palle-Zeug, mit dem ich sonst hantiere. Oder aber es sind eigentlich die Krankheitsbilder, die mir Angst machen, nicht die Medikamente.
Wem nicht?
Vielen Dank und viele Grüße
Loana
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 27.11.17 21:53.