Hallo tschitta,
vielen Dank für deine Gedanken und den Einblick, den du gewährst!
Du schreibst von schweren Zuständen/Ereignissen, ich assoziiere harte, essentielle, existentielle Erfahrungen. Zuerst ging es dir ums Wohl der Kinder, diese Motivation hatte ich auch.
Verständnis, den Weg des Kindes als seinen Weg akzeptieren, Vertrauen haben und ihm Vertrauen geben – das haben wir gelebt, das habe auch ich mitbekommen.
Mir entsprach sehr Folgendes: „Wir sollten uns weniger bemühen, den Weg für unsere Kinder vorzubereiten, als unsere Kinder für den Weg.“ Ob das gelungen ist, kann ich noch nicht sagen, denn den Weg kenne ich nicht, aber ich hoffe es.
Ich konnte nach Zeiten der Medi-Verweigerung dann zuerst meinem Kind zuliebe gut medikamentös eingestellt und relativ angepasst mit der Bipo viele Jahre stabil leben, sie annehmen und akzeptieren. Habe dann eine ziemliche Entwicklung genommen, war und bin vielfältig engagiert. Es besteht Nähe zu meinem Kind, Liebe. – und doch …
Etwas mehr von deiner beschriebenen Sanftheit täte uns mitunter gut. Auch diese entsteht sicher durch die Prägung der eigenen Erfahrungen, Kindheit wie auch dann im eigenen, selbstbestimmten(?) Leben.
Bei mir kam ein anderes Strickmuster hinzu, aufmüpfig, bissel frech, sich aufregen bei Ungerechtem – kann man Gerechtigkeit als allgemein gültige Kategorie ermessen, erfahren, leben???
Jeder Mensch hat seinen eigenen Blick, seinen eigenen kleinen Ausschnitt von der Realität, man könnte vielleicht sagen, seine eigene kleine Gerechtigkeit, seine eigene kleine Wahrheit, oder vielleicht doch treffender: seinen eigenen kleinen Gerechtigkeitsanspruch, seinen eigenen kleinen Wahrheitsanspruch.
Wer will und könnte das bewerten?
Schick ist es heute, für alles offen zu sein, nichts und niemandem seine Berechtigung abzusprechen.
Toleranz ist mir ein wichtiger Wert, aber ist das wirklich tolerant?
Auf einmal kommen dann andere Ebenen der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des miteinander zusammen Lebens in die Wahrnehmung, für den gewohnten Alltagsblick nicht zu sehen. Da braucht man auf einmal einen Haufen zusätzlicher Gesten, angeblich Körpersprache und was weiß ich, eher Körpersprache zu einem pervertierten Zweck(?), in teuren Kursen heraus gekitzelt und optimiert, mit dem Ziel Hierarchieebenen zu etablieren und zu erreichen, Machtpositionen zu erreichen, zu sichern und zu posen, Ängste bei anderen zu erzeugen (habe fast den Eindruck Panikattacken sind die neue Volksseuche), Erpressung zur subtilen Unterwürfigkeit … . Ich schreibe mich in Rage, doch es gehört zum Thema.
Auf einem Mal konnte ich andere Schmerzebenen bei meinem Kind, längst dem kindlichen Alter entwachsen, wahrnehmen, die ich nicht für möglich gehalten hätte und die mir schier das Herz brachen.
In mir belebte sich mein schon immer reichlich vorhandenes Gerechtigkeitsempfinden. Nach langer Zeit ging ich nochmal kurz in die Klinik, nach weiteren 4 Jahren wurde mir von außen ein kurzer Klinikaufenthalt von 1 ½ Tagen provoziert. Ich bekam eine Ahnung von mich betreffenden weiteren Ebenen.
Seit weiteren fast 4 Jahren bin ich nun auf einem Weg zu einer ungeahnten, mir selbst nicht mehr zugetrauten Stabilität, die unter enormen Druck Bestand hat.
Seitdem werden mir Stück für Stück mögliche Zusammenhänge zwischen meiner Entwicklung in Jugend- und jungen Erwachsenenjahren, was mir geschah, und dem Druck, unter dem mein Kind zu stehen scheint, bewusst. Ich glaube, dieses Bewusstwerden ist ein wichtiger Faktor für meine andauernde Stabilität. – Wie das Leben manchmal so spielt.
Neben dem faktischen, kausalen Denken wandert mein Augenmerk zunehmend neu zu emotionalem oder intuitivem Wahrnehmen und Verstehen, das mir wichtig geworden ist, ich mir als Teil meiner christlichen Spiritualität ganz selbstverständlich zugestehen gelernt habe. Zum Glück oder Gott sei Dank.
Vieles lag und liegt nicht in unserer Hand.
Meine behütete Kindheit, gibt mir Kraft und Stärke, Zuversicht und Klarheit, auch Ruhe und Bedachtsamkeit wird zunehmend möglich. Sie behinderte vielleicht eine tiefe innere Sanftheit.
Reden können wir miteinander, wie ich mit meiner Mutter und sie auch mit ihrer Oma. Da wurde etwas weiter gegeben. Manchmal habe ich sie bestimmt zugetextet, doch übereinstimmend sagen wir, besser so als gar nicht reden.
So ganz durch bin ich noch nicht mit meiner Sortierung, ein mir wichtiger schon länger anhaltender Prozess.
Danke, dass du mich weiter angestoßen hast!
Du schreibst:
„Das freut mich, das du mit deiner Mutter in Dialog treten konntest..ich denke das kann sehr wertvoll sein. Wenn ich deine Zusammenhänge lese, -da ich eine total andere Erfahrung kenne-..staune ich darüber.. Die lösung wäre also nicht ein behütetes Leben..“
Ich finde, es gibt keine Lösung und schon gar nicht
die Lösung. Leben ist, was passiert, während ich mir andere Pläne gemacht habe, oder Lösungen ausgemalt habe. – oder so ähnlich ;)
Ich meine, vieles haben wir nicht in der Hand, da können wir dann nur reagieren, aus den Erfahrungen lernen und uns selbst immer besser kennen lernen, wie du ja auch schreibst.
Achtsamkeit hilft mir auch, regelmäßige Meditation, Rituale die u.a. Struktur geben für verschiedene Zeitintervalle von täglich bis jährlich, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Konzentration darauf.
Bei dir schätze ich deine Intuition, deine Einfühlung, den unbedingten Willen, es mit deinen Kindern besser zu machen, als du es erlebt hast. Das ist eine enorme Menge!
Sorry, ist nun doch recht lang geworden.
LG
S.