Re: Ein Unterschied

07. 08. 2017 10:07
Hallo hanitas,

ich war fast 9 Jahre ununterbrochen in einer Depression, pendelte zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression hin und her. Soetwas möchte ich ebenso nicht wieder erleben. Aber auch danach waren die depressiven Schübe nun nichts, was ich mir wünschen würde und jedes mal, wenn ich wieder in eine hineingeriet, habe ich mich dafür verantwortlich gemacht, wie es das depressive Denken ja so schön kann.

Und dazwischen konnte ich mich auch nicht freuen, war da doch die Angst, dass die nächste schon wieder vor der Tür wartet. Außerdem kreiste auch zwischen den Phasen mein Denken nur um dieses "Kranksein" und dem "eigentlich nicht mehr viel vom Leben zu erwarten". Sollte ich mich überhaupt noch anstrengen, wenn die nächste Phase doch alles wieder zunichte machen konnte?

Interessanterweise änderte sich das alles, als mein Denken insgesamt sich änderte. Gerade als ich akzeptierte, dass die Depression nun mal zu meinem Leben dazugehören wird, ob ich will oder nicht und ich mich davon löste, das ICH die Depression bin, sondern sie nur ein Teil von mir ausmacht, änderte sich merkwürdigerweise auch die depressiven Phasen.

Auch dass ich mir deshalb nicht mehr böse bin, wenn wieder eine ansteht und deshalb mit mir versönlicher umgehen kann in dieser Zeit, scheint dies sich auf die Art und Weise, wie sich die Depri nun noch bemerkbar macht, auszuwirken. Ich habe einen Umgang mit ihr gefunden. Weiß, was ich ggf. tun kann und weiß aber auch, wo meine Grenzen liegen. Sie wurde nie wieder so schwer und so lange, wie damals.

Doch auch insgesamt hat sich mein Verständnis von Leben oder viel mehr, was ein "gutes Leben" sein soll, verändert. Waren vorher noch die Gedanken von Leistungsfähigkeit, geregelter Vollzeitjob, Unzulänglichkeiten und Fehler sind schlimm, Anpassungsfähigkeit, etc., habe ich diese Gedanken hinterfragt und meinen Wert nicht mehr davon abhängig gemacht. Oder besser gesagt, ich versuche es nicht mehr davon abhängig zu machen, denn ab und zu gerate ich natürlich schon mal wieder in alte Muster. Es ist eben ein Prozess.

Gesehen von vor meiner Diagnose, bzw. schweren 1. Krise und jetzt, habe ich mich verändert und ich sehe das als inneres Wachstum. Vor allem die Selbststigmatisierung hat aufgehört, ich kann lockerer für mich selbst mit meiner Einschränkung umgehen und bzgl. psychische Krankheiten allgemein habe ich einen anderen Blickwinkel erreicht, als vorher.

Wachsen meine ich hier nicht, dass mir in der Depression etwas klar geworden ist (das kann natürlich auch sein, ist hier aber jetzt nicht gemeint), sondern durch die Einschränkung, die solch eine Störung einfach mit sich bringt, war ich gezwungen, mich und mein Leben, meine Denke, mein Verhalten zu hinterfragen und neu auszurichten. Daran bin ich innerlich auch gewachsen.

Viele Grüße Heike

------------------ Signatur --------------------------

Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.

"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Inneres Wachstum

Heike 1245 06. 08. 2017 12:44

Re: Inneres Wachstum

levyc 429 06. 08. 2017 13:08

Re: Inneres Wachstum

Heike 309 06. 08. 2017 14:40

Re: Inneres Wachstum

tough 392 06. 08. 2017 13:41

Re: Inneres Wachstum

Heike 291 06. 08. 2017 14:45

Re: Inneres Wachstum

tough 310 06. 08. 2017 14:49

Re: Inneres Wachstum

dino 323 06. 08. 2017 14:27

Re: Inneres Wachstum

Heike 301 06. 08. 2017 14:53

Re: Inneres Wachstum

A20213 296 06. 08. 2017 15:42

Re: Inneres Wachstum

Heike 314 06. 08. 2017 15:53

Ein Unterschied

hanitas 353 07. 08. 2017 00:21

Re: Ein Unterschied

tschitta 337 07. 08. 2017 08:05

Re: Ein Unterschied

Heike 371 07. 08. 2017 10:07

Re: Inneres Wachstum

dino 346 06. 08. 2017 18:15

Re: Inneres Wachstum

Heike 391 06. 08. 2017 21:58

Re: Inneres Wachstum

Annika 380 07. 08. 2017 12:45

Re: Inneres Wachstum

Heike 378 08. 08. 2017 11:09

Re: Inneres Wachstum

dino 305 07. 08. 2017 14:39



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicken Sie hier, um sich einzuloggen