Hallo,
Medikamente können zwar auf der einen Seite sehr gut helfen und für viele sind sie ein Segen, aber sie haben eben auch ihre Nebenwirkungen und für manche helfen die Medikamente auch nur sehr unzurreichend. Der Wunsch zu reduzieren oder abzusetzen ist so häufig da, dass, wenn niemand darauf eingeht, im Notfall dies im Selbstversuch geschieht, oft mit verheerenden Folgen, wie Absetzpsychose oder -manie.
Ich beobachte immer wieder, wenn Menschen diesen Wunsch äußern und die Reaktion darauf ist eine Abwehr, eine "Herabsetzung", ein "um Gottes Willen nein", dass der Kontakt dadurch abbricht. Es wird nicht darüber gesprochen, sie bleiben allein und probieren es dann selbst.
Wenn mir jemand mit diesem Wunsch entgegenkommt, höre ich ihm erst ein Mal zu, versuche herauszufinden, warum jemand die Medikamente absetzen möchte. Nehme seine Bedenken, sein evtl. Leiden, sein Denken darüber ernst. Außerdem frage ich, wie dieser Mensch sich die Reduktion oder das Absetzen vorstellt und ob derjenige die Risiken kennt und was passieren soll, wenn eine Krise dann doch ausbrechen wird. Versuche die Person dahin zu bewegen, dass dies eben begleitet wird und so langsam wie Möglich geschieht.
Aber ich zeige auch weitere Optionen, wie eben nur eine gewisse Reduktion oder auf ein anderes Medikament umstellen zu lassen, wenn die Nebenwirkungen auf das jetzige Medikament zu stark sind. Auf jeden Fall gehe ich darauf ein, weil somit der Mensch nicht völlig alleine da steht und somit ein Alleingang ggf. verhindert werden kann. Denn wenn der Wunsch so stark ausgeprägt ist, wird man die Menschen meist nicht daran hindern können, dass sie es versuchen werden. Und vielleicht braucht es auch manchmal ein oder mehrere Versuche, um für sich einiges herausfinden zu können.
Ich wünschte, dass man hier im Forum wesentlich entspannter mit der Thematik umgehen könnte, so wie ich es in der Realität auch von multiprofessionellen Teams erlebe. Wenn man dieses Thema durch ein hochkochen ausgrenzt, wird man der Realität auch nicht wirklich begegnen.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).