Re: Selbsthilfegruppen

08. 06. 2017 13:32
1. Ist es gängig, dass dort einzelne Mitglieder andere wegen Meinungsdifferenzen angiften?

Nein, ist es nicht. Es sollte zumindest nicht so sein.
Bei uns läuft das Alles zur Zeit sehr respektvoll ab. Verschiedene Umgangsweisen mit der Erkrankung werden respektiert, auch wenn es nicht der eigene Weg ist.

2. Ist es üblich, dass keinerlei Moderation und/oder "therapeutischer roter Faden" zu finden sind?

Wir haben eine Moderation, die allerdings diesbzg. keine professionelle Ausbildung hat. Wenn ich da bin, dann mache ich das und bin auch nicht unfehlbar. Ich habe allerdings auch schon in anderen Bereichen schlechte professionelle Moderatoren erlebt.

Wir haben immer einen roten Faden, eine Struktur. Wir fangen mit dem Blitzlicht an, wo kurz geschildert wird, wie gerade der Stand der Dinge ist, und ob es Themen gibt, die die Teilnehmer diskutieren wollen. Während des Blitzlichts wird nicht diskutiert. Jeder ist reium dran. Niemand muss etwas sagen.
Ich notiere die Namen und die Themen. Neue Teilnehmer sind am Ende dran, damit sie schon mal vorab hören, wie das läuft.
Wenn das Blitzen zu lange dauert, versuche ich denjenigen irgendwie dazu zu bringen, zum Ende zu kommen. Manchmal zerfasern sich sehr mitteilungsbedürftige Menschen arg, was dann von der Diskussionszeit abgeht.

Am Ende des Blitzens bestimmen wir die Reihenfolge der Diskussionsthemen. Wenn es zu viele sind, müssen wir Themen verschieben. Hierbei versuchen wir zu berücksichtigen, was dringlich ist und was warten kann. Oft sagen die Leute selber, es hätte noch Zeit.

Dann versuche ich, etwas die Zeit im Blick zu haben.

Ca. 10 Minuten vor Ende der Sitzung machen wir noch ein Schlussblitz, wo jeder sagen kann, wie er die Runde empfunden hat, was er mitgenommen hat oder einfach nur allen noch eine gute Woche wünschen. Jeder, wie er mag.

Ich versuche, die Leute beim Thema zu halten. Manchmal schweifen Leute arg ab und kommen von Hölzchen auf Stöckchen oder fangen an Geschichten zu erzählen von einer Tante des Onkels und deren Arbeitskollegin, die mal das und jenes.... blablabla....
Wir reden möglichst über UNSERE Anliegen.
Letztens ist es mir passiert, da war ich auch nicht so recht in der Lage, eine ältere Dame auszubremsen.

Letztendlich sind aber alle gefragt mit zu moderieren und etwas zu sagen, wenn es störend wird.
Ich bin in erster Linie auch "nur" Teilnehmer, der ein wenig das Gerüst zur Verfügung zu stellen versucht.

Diese Form der Struktur hat sich bewährt, nicht nur bei uns.

3. Ist es ok, dass 2 Leute auf relativ fundamentalistische Weise gegen sämtliche Formen der Pharmakotherapie wettern und bei sachlich vorgebrachter Kritik an deren Herangehensweisen subito Maulkörbe verteilt werden?

Wenn jemand vehement gegen Pharmakotherapie wettert, ist es sein gutes Recht. Maulkörbe zu verteilen geht gar nicht.

Ich bin seit Anfang 2003 in der Selbsthilfe aktiv und habe inzwischen auch viele Kontakte zu anderen SHGen und Selbsthilfeorganisationen, habe aus Workshops und sonstigen Veranstaltungen (aktive und passive Teilnahme) viel mitgenommen. Es haben sich mit der Zeit Freundschaften gebildet. Zum Teil sind die Leute gar nicht mehr in SHGen aktiv. Es gab allerdings auch zwei Jahre, in denen ich fast gar nicht in der SHG war, weil es mir da auch zu sehr darum ging, wer am schnellsten redet und sich durchsetzen kann. Das war doppelt schrecklich für mich, weil ich in den Jahren auch ziemlich depressiv war.

Die Gruppe stand ca. 2007 so ziemlich vor dem Aus. Ich fand es schade, dass sich eine der ältesten Bipolar-SHGen im Nirwana verliert und habe diese im Alleingang wieder reanimiert. Das war ziemlich viel Arbeit. Aber es hat sich auf Dauer gelohnt. Und ich konnte agieren, wie ich es mir vorstellte und nahm einmal monatlich Angehörige mit ins Boot.

Ansonsten wird alles mehrheitlich bestimmt, wenn es um Änderungen geht. Z.B. haben wir mal beschlossen, dass wir nur noch Leute an den Sitzungen teilnehmen lassen, die tatsächlich die Diagnose bipolar haben. Es gibt Gruppen, die handhaben das anders, lassen auch Leute zu, die den Verdacht haben, weil sie z.B. im Internet viel gelesen haben darüber und sich da wieder drin finden. Ich halte davon nichts. Die Menschen mit tatsächlich der Diagnose kommen dann oft zu kurz, weil sich alles auf irgendwelche Eigenverdachtsdiagnosen stürzt.

Für mich ist die Selbsthilfe eine große Bereicherung.

Hoppala, ist jetzt aber lang geworden ;-)

Alles Gute
Friday

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Nicht alles, was schwankt, ist bipolar.

Hätte ich die Kraft nichts zu tun, ich täte nichts.

Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.06.17 13:32.
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XenChen 962 27. 05. 2017 16:57

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dino 522 28. 05. 2017 10:24

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Friday 546 08. 06. 2017 13:32



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