Auch deshalb vielleicht. Hab aber auch viel Arbeit grade und mein Kumpel sitzt in Haft wegen einer Geldstrafe. Dem schreib ich Briefe und das laugt ganz schön aus, kann ich sagen.
Allerdings vertrage ich das Promethazin so gut, dass es tatsächlich reicht, es eine Nacht zu nehmen und der nächste Tag ist gerettet. Habe das vor kurzem schon so gemacht, da haben drei Tage Notfallmedi gereicht.
Nur letzten Sonntag wurde es dann wieder komisch: beim Frühstück um halbsechs seh ich, mein Kumpel hat bei facebook noch einen Hilferuf gestartet, vom Revier aus. Ich war aber 30 Minuten zu spät online und konnte ihn nicht mehr kontaktieren. Dann komm ich auf Arbeit um sieben und finde vor der Spülmaschine fein ordentlich aufgereiht Konserven und Gurkengläser. Wunderte mich und kuckte ins Lager: Tresor aus der Wand gerissen. Sauber. Musste ich erst die Polizei rufen und dann das Gemotze vom Chef ertragen und danach eine Stunde untätig drauf warten, dass die Spusi fertig ist. Dann musste ich den Brunch, für den ich sonst zwei Stunden Zeit habe, in einer Stunde aufbauen, denn natürlich hatten wir ausgerechnet an dem Tag Reservierungen ab neun. Wenn dir in der Küche eine Stunde fehlt, das holst du nie wieder ein. Und mir fehlte schon eine Stunde vom Freitag, weil ich da keine ordentliche To-Do-Liste vom Kollegen bekommen hatte und eine Stunde vom Samstag, weil da der Lehrling zu spät gekommen war. Ich bin in der Küche rumgerannt wie eine Irre, hab immer drei Dinge gleichzeitig gemacht und dauernd hieß es: Rührei ist alle! Obstsalat muss nachgelegt werden!
Und die ganze Zeit im Hinterkopf: scheisse, der Kumpel sitzt im Knast.
Der rief mich dann am Montag an, was meinem Mann wieder nicht passte... dem also erklären, dass er keinen Grund hat, eifersüchtig zu sein. Das Ende vom Lied war, dass mein Mann mir den Tipp gab: Wenn du ihn besuchst, bringst du ihm Tabak und Kaffee, das braucht der da drin. Ja wie denn nun, Schatz? Eifersucht oder Knacki-Solidarität (mein Mann hat auch schonmal ne Geldstrafe abgesessen, vor meiner Zeit.)
Dann dem Kumpel schreiben, dass er durchhalten soll und sich endlich Hilfe holt (hochintelligent, extremes ADHS, uneinsichtig), was ein schlimmer Eiertanz ist. ...ja, du bist ein ganz wertvoller Mensch, doch, ich akzeptiere dich auch mit deinen Fehlern, nein, das ist kein Vorwurf, doch, du brauchst trotzdem Hilfe, ja, ich verstehe dich, aber trotzdem mache ich mir Sorgen... nein, ich kann dir das Geld nicht leihen, ich kann Wege für dich gehen und Telefonate führen, nein, ich rufe niemanden an und gebe deine Drohungen weiter, dazu gibt es Anwälte, sei bitte nicht enttäuscht... wenn du raus kommst, bist du frei und kannst Angebote im Ausland annehmen... stell dir doch mal vor, was du alles schaffen kannst, wenn du bei der Sache bleiben könntest, nein, ich verstehe nicht, wieso du aggressiv wirst, wo andere Angst haben, natürlich halte ich zu dir und lehne dich nicht ab... und dabei die ganze Zeit bei mir bleiben und meine eigenen Bedürfnisse nicht verraten, das ist eine harte Nuss. Es wäre für mich viel leichter gewesen, den dreistelligen Betrag der Landesjustizkasse zu überweisen. Aber ADHSlern tut Struktur gut und wo bitteschön ist die Struktur verlässlicher und unausweichlicher als im Knast?
Dann Kontakt zur bipolaren (aber "austherapierten"...) Mitbewohnerin des Kumpels und Nachrichten wie: das Sozialamt bezahle die Miete nicht, weil er doch im Maßregelvollzug sei... (sie kontaktierte mich, ich hatte Mühe, ihr ernsthaft zu antworten, ich glaube, sie war besoffen).
Am liebsten telefonier ich mit der JVA, denn der Mann am anderen Ende des Telefons ist total nett und beantwortet alle meine Fragen.
Gestern Abend, mitten in der Schicht, krieg ich plötzlich Herzklopfen und Nervenflattern. Ich wusste, der Kumpel denkt an mich. Vielleicht schimpft er grade wegen des Briefes oder er fleht um Hilfe oder hält sich einfach an mir fest. Ich weiss es nicht und das hört sich komisch an. Ich hab mich dann kurz rausgesetzt und ihm mehrmals gesagt, dass er mich in Ruhe arbeiten lassen soll. Nach einer halben Stunde war es dann wieder besser. Man kann das ja auch keinem erzählen, wenn man ernst genommen werden will. Womit wir wieder halbwegs beim Thema des Baumes wären: Peinlichkeiten.
Nach der Schicht hab ich ihn dann ne Weile umarmt, in Gedanken. Und zu Hause sofort mein Promethazin eingeworfen.
Das Neuroleptikum, sag ich den anderen immer, verschafft mir einen Schlaf wie der originalste Originalschlaf, den man sich vorstellen kann. Sozusagen Schlaf im Sinne des Erfinders. Der Urvater aller Nickerchen... ich schlafe entspannt, ruhig, mit leichter Kost an Träumen und am nächsten Tag wache ich entspannt auf und alle Gedanken sind geordnet, das Hirn ist entfusselt, kein Zittern, kein verspult sein. Und das beste ist: ich kann es auch am Tag nehmen und werde dann nicht müde davon. Ich hab auch am nächsten Tag keinen Überhang. Und eine Minidosis von 50mg reicht.
So, jetzt hab ich doch wieder einiges geschrieben.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.
