Hallo Soulvision,
> > oder diejenige an einer Krankheit leidet. Und
> > abgesehen von Erstfällen
> > ist auch oft einschätzbar, wie "gefährlich"
> sich
> > ein Betroffener verhalten
> > wird/kann.
>
> Per se aufgrund einer Diagnose abzuschätzen, wie
> gefährlich ein akut Kranker in nachfolgenden
> Phasen werden kann, halte ich für gefährlich und
> in hohem Maße stigmatisierend. Damit sprichst du
Ich hab das "gefährlich" nicht aus versehen in Anführungszeichen gesetzt.
Und ich schrieb auch "wird/kann".
Bei vielen Bipolaren laufen die Phasen immer sehr ähnlich ab, sie kommen
oft zu ähnlichem Verhalten in Phasen. Diese Muster meinte ich damit. Die
wenigsten Bipolaren haben komplett differierende Phasen im Sinne von jedesmal
was ganz neues/anderes. Ein bestimmtes Thema oder bestimmte Ängste treten
in Phasen immer wieder auf und genau das meinte ich damit.
> deinen "oft Einschätzbaren" auch per se jede
> Entwicklung mit ihrer Erkrankung ab und öffnest
> der Willkür und missbräuchlicher Gewalt diesmal
> gegen psychisch Kranke Tor und Tür.
> Statistisch gesehen sind psychisch Kranke im
> Verhältnis zu nicht als psychisch krank
> diagnostizierten Menschen, manche sagen Normale,
> sehr viel weniger gewalttätig, akute Phasen
> berücksichtigt.
Da hast du mich gründlich mißverstanden. Ich frag mich gerade,
ob ich mich so unverständlich ausgedrückt habe oder ob das
geschriebene "bewußt" falsch interpretiert wird.
> > Wenn ein Betroffener bereits "auffällig"
> wurde,
> > ist das also Willkür, wenn
> > man ihm unterstellt, das er in einer erneuten
> > Phase wieder so handelt ?
>
> Ja! siehe oben.
Das sehe ich nicht so, das ist keine Willkür, sondern man nennt
das Erfahrungen. Beispiel: Ein Bipolarer "endet" in depressiven
Phasen immer wieder beim Suizidversuch. Oder ein Maniker
verfällt immer wieder in den Kaufrausch und kauft zu teure Autos
und oder andere Luxusgüter. Da wäre es mehr als fahrlässig,
bei der nächsten Depression nicht drauf zu achten, ob es wieder zum
Suizidversuch kommt oder in der nächsten Manie wieder Autos und
Häuser wie beim Monopoly gekauft werden.
> Viel wichtiger als Zwang finde ich die erfahrene
> Zuwendung, ob nun in der Klinik oder außerhalb.
> Schutz kann auch außerhalb der Klinik geleistet
> werden.
Das sehe ich genau so. Und diese erfahrene Zuwendung ist es,
die mich pro Psychiatrie sein lässt. Ich habe Pfleger und Ärzte in
der psychiatrischen Klinik erlebt, die mit viel Einsatz und echtem
Herzblut sich um uns Patienten gekümmert haben. Jeden einzelnen
Tag in der Klinik gab es die Möglichkeit eines halbstündigen
Gesprächs mit dem "Bezugspfleger" (der einem in der ersten Woche
zugeteilt wurde). Die mich dort behandelnden Ärzte haben, mit einer
Ausnahme, mich immer über Medikamente und Behandlungswege
aufgeklärt und einbezogen. Das Ablehnen von Lithium war z.b.
kein Problem, da hat kein Doc drauf beharrt, das er es besser wisse.
Es kommt aber meiner Meinung nach eben auch sehr drauf an, wie man
selber auf Arzt und Pfleger zugeht. Wenn ich die von vornherein als
"Feind" ansehe, brauch ich gar nicht erst in eine Klinik zu gehen und
muss mich auch nicht wundern, wenn ich alles als schlecht und
unmenschlich ansehe oder empfinde.
> > Jemanden, der akut in einer Phase ist, nicht zu
> > helfen, ist
> > für mich Beihilfe zum Selbstmord. Das helfen als
> > übergriffig zu
> > bezeichnen finde ich reichlich pervers.
>
> Das ist ja die Schwierigkeit, wie nachhaltig
> geholfen werden kann?
Ich schrieb, in AKUTER Phase. Da ist gar nix schwieriges
dran und jemanden erstmal vom Suizid (oder dem Verschleudern
des gesamten Vermögens, etc) abzuhalten, ist eine sehr
nachhaltige (erste) Hilfe.
> Dass helfen übergriffig werden kann, weißt auch
> du. Genauso kann es auch bei suizidalen Menschen
> sein, völlig nebensächlich ob der Verstand nun
> klar oder vernebelt war. Ganz weg kann er wohl
> nicht sein, hm?
Natürlich kann es auch übergriffig werden. Die Frage ist ja
eher, wann ist etwas übergriffig und wann nicht.
Und: völlig nebensächlich, ob man bei klarem Verstand oder
im benebeltem Zustand über sein Leben entscheidet ? Ich bitte
dich, sowas kannst du nicht im Ernst meinen, oder ?
Natürlich ist man nicht "ganz weg", es sei denn, man
steckt in einer tiefen Psychose. Aber man ist eben
auch nicht "voll da", denn wäre man das, wäre man weder
in einer Klinik noch überhaupt als krank zu diagnostizieren.
Ich schreibe und rede nicht gern öffentlich drüber, aber ich wurde
beim ersten Mal Klinik auch zwangsbehandelt. Polizei,
Krankenwagen und Hausarzt auf dem Hof (dazu ne Horde
neugieriger Nachbarn an allen Zäunen), wurde mir ungefragt
eine Spritze verpasst und die nächsten 2 Tage in der Klinik
wurde ich auch mit Medi's "ruhiggestellt", so das ich erst nach
3 Tagen auf Station "aufwachte" und mich fragte, wie ich
denn nu dahin gekommen bin. Die ersten 10 Tage durfte
ich auch nicht von Station, obwohl es eine offene war.
Ich kann mich natürlich auch hinsetzen und rumjaulen, wie
böse und schlecht die Psychiatrie ist. Ich hab aber erstmal
bei mir selber angefangen und musste einsehen, daß das
Fehlverhalten von mir ausging und ich nicht "aus Versehen"
in der Klinik gelandet bin. Ich war zu Anfang auch "böse" auf
die Psychiatrie und fand das alles freiheitsberaubend und
mißhandelnd. Nach der Klinik, als es mir wieder besser ging,
hab ich das ganze dann nochmal Revue passieren lassen und
bin zu dem Ergebnis gekommen, daß das zwar in dem Moment
echt scheiße und hart war, unterm Strich aber das beste, was
mir passieren konnte, denn erst da wurde das erste Mal meine
Phasen ausgebremst und mir bewußt, was (eigentlich schon
immer) mit mir los war. Ich jedenfalls brauchte diese "harte
Landung", um mal aufzuwachen und mich ernsthaft mit meinen
Problemen auseinander zu setzen. Daher bin ich mittlerweile
dankbar für diesen mir angetanen "Zwang", ohne den ich wohl
immer noch uneinsichtig krank durch die Welt toben würde.
lg
zuma
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Wenn dich der Mut verlässt, gehste halt alleine weiter.
Und wenn du deinem Gefühl folgst, nimm deinen Verstand mit.
Wenn du nicht weißt, wohin du willst, ist es egal, welchen Weg du nimmst.
Wissen nutzt nur wenn man es anwendet.
Vielleicht wird alles vielleichter