zyklothym schrieb:
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> Die Unmeßbarkeit von Gefährdung als Grund für
> vorsorgliche Entmündigung zu verwenden, das ist
> ein Totschlagargument. Gefährdung lässt sich
> nie ausschliessen, also sperren wir einfach alle
> ein. (Dieses Totschlagargument findet z.B.
> erschreckend viel Anwendung in der Politik, mit
> ziemlich genau der gleichen Argumentation. Ein
> "Gefährder" ist lt. Gesetz jemand, von dem man
> *annimmt*, dass er eine Gefahr darstellt. Im
Da vergleichst du Äpfel mit Autos. Bei einem Gefährder, wie
du ihn beschreibst (und da geh ich mit), wird halt angenommen,
das er gefährlich ist, ohne das beweisen zu können.
Bei einem diagnostiziertem Kranken ist die Lage ja wohl eine
andere, hier muss man nicht "raten", hier ist erwiesen, das der-
oder diejenige an einer Krankheit leidet. Und abgesehen von Erstfällen
ist auch oft einschätzbar, wie "gefährlich" sich ein Betroffener verhalten
wird/kann. Zudem ist in der Regel der Betroffene nicht "aus freien
Stücken" in den akuten Zustand geraten (wie Gefährder das i.d.R. sind),
sondern aufgrund einer Erkrankung in dem Zustand. Riesenunterschied,
den du mal eben so mißachtest.
> Ernstfall ist der Nachweis unmöglich. Und damit
> ist Willkür Tür und Tor geöffnet. Genau diese
> Argumentation ist z.B. ein gängiges Mittel in
> totalitären Staaten zur politischen
> Inhaftierung.)
Wenn ein Betroffener bereits "auffällig" wurde, ist das also Willkür, wenn
man ihm unterstellt, das er in einer erneuten Phase wieder so handelt ?
> Und ja, es wäre naiv von mir, nicht jeden Tag
> damit zu rechnen, dass irgendjemand aus meiner
> Familie oder meinem Freundeskreis sich umbringen
> könnte. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt
> einen Bipolaren persönlich kenne, der noch keinen
> Suizidversuch hinter sich hat. Ich bin nun knapp
> 50 und die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch wen
> begraben werden muss, sind statistisch hoch.
Und wenn du mitbekommst, das sich akut einer was antun will,
dann läßt du den ? Reichst ihm womöglich noch den Strick ?
In solchen Momenten, genau wie auch in den "gefährdenden"
manischen Momenten plädiere ich nicht nur für Zwang, sondern
halte ihn für unabdingbar.
> Ändern kann ich das nicht. Damit umgehen muss man
> aber. Bipolare untereinander machen das gerne mit
> schwarzem Humor. Ich habe nie so viel über den
> Tod gelacht, wie mit anderen Bipolaren. Es gibt
> kaum was Erleichternderes zu diesem Thema. Mit
> nichtbetroffenen Angehörigen ist sowas nie
> möglich. Die Sichtweise ist so derart anders,
Das mag vielleicht mit deinen Angehörigen so sein, ich
hab da andere Erfahrungen gemacht. Mit meinen Angehörigen
kann ich sowohl über den Tod als auch über meine
Krankheit oft herzlich lachen und gerade dieser Humor ist
es, der sehr oft die Situation wieder entspannt und alle etwas
leichter damit umgehen lässt. Ich hab wohl mal im akuten
Zustand gesagt, ich spring jetzt aus dem Fenster und in dem
Moment nicht gemerkt, das wir ebenerdig waren. Das ist heute
ein "running Gag" in unserer Familie. Das in den meisten Fällen
aber nur die ernste Seite gesehen wird, mag wohl stimmen, aber
dieses "nie möglich" mag ich nicht so "endgültig" stehen lassen.
> dass es auch befremdlich wäre, und es gibt kaum
> etwas, was die unterschiedlichen Standpunkte so
> verdeutlicht, wie die Haltung zum Suizid.
> Und wenn du dir einbildest, du könntest
> *irgendjemanden* zum Leben zwingen, dann lebst du
> aber in einer Traumwelt. Wenn der Betroffene den
> Lebenswillen verliert bzw. der Sache endgültig
> überdrüssig ist, hältst du ihn nicht auf. Bei
Ich bin ganz bei dir, wenn du meinst, das jemand das Recht auf
einen Suizid haben sollte. ABER, und das ist das Entscheidende,
es ist ein riesiger Unterschied, ob ich das bei "klarem" Verstand
entscheide, oder eben in einer akuten Phase.
> bipolarer Störung ist die Suizidrate und die hohe
> Effektivität der Suizidversuche aufgrund der
> Bilanz-Suizide besonders hoch. Das sind die, die
> nicht im Affekt begründet sind, sondern in einer
> Lebensbilanz, die für den Betroffenen besonders
> negativ ausfällt. Das bedeutet, wer diese Art von
> Suizid begeht, tut dies mit großer
> Wahrscheinlichkeit unabhängig von einzelnen
> Phasen als Resümee seines Lebens und seiner
> Prognose, was oft durch Erlebnisse mit der und
> durch die Erkrankung von großen Verlusten
> geprägt ist.
So jemand sucht auch keine Hilfe in der Psychiatrie mehr
und daher ist das zwar nicht unrichtig, aber am Thema vorbei.
> Es ist Hybris, zu glauben, man könne jemanden
> retten, indem man ihn vor sich selbst schützt, es
> sei denn, man sperrt ihn für den Rest seines
> Lebens ein.
Ich wurde schon 2 mal vor mir selbst "geschützt" und ich bin
immer noch dankbar, das man mich mit Zwang davon abgehalten
hat. Außerhalb meiner depressiven Phasen lebe ich nämlich ganz
gerne, auch wenn mein Leben deutlich mehr negative wie positive
Anteile hat bislang.
> Ich weiß, dass vor allem Mütter ein Problem mit
> der Problematik haben, von Sorge getrieben leider
> häufig nicht erkennen, wann sie selbst
> übergriffig werden. Ich sage das ziemlich
> wertfrei, ich habe selbst eine Mutter, und die ist
> über 70 und hat immer noch diese Anwandlungen,
> jemanden beschützen zu wollen und zu helfen, auch
> wenn das zu weit geht. Aber es ist besser
Jemanden, der akut in einer Phase ist, nicht zu helfen, ist
für mich Beihilfe zum Selbstmord. Das helfen als übergriffig zu
bezeichnen finde ich reichlich pervers. Wohlgemerkt, man sollte
unterscheiden, ob diese Entscheidung bei klarem Verstand oder
eben in einer Phase getroffen wird und bei den meisten Betroffenen
ist das mit dem klaren Verstand wohl nicht der Fall. Die
"Bilanz-suizidler" sind ja auch in "gesundem" Zustand der Meinung,
nicht mehr leben zu wollen. Ich behaupte, das ein affektiv-Suizidler
das eben nicht ist und daher auch mit zwang geschützt werden muss.
> Wenn jemand unheilbar an Krebs erkrankt ist, und
> ihm noch viel Leid bevorsteht, würde - niemals -
> jemand auf die Idee kommen, dass man ihn zu einer
> Behandlung zwingen dürfte. Man würde im
> Gegenteil vielleicht sogar verstehen, wenn dieser
> Mensch seinem Leben zu einem selbstgewählten
> Zeitpunkt ein Ende setzt.
Wieder so ein Vergleich von Äpfeln mit Kühlschränken.
Körperliche Krankheiten kann man NICHT mit psychischen
vergleichen, das hinkt und stinkt immer. Der Krebspatient
ist nicht in seiner geistigen Entscheidungsfähigkeit
beeinflusst, der psychisch erkrankte gerade das.
Psychische Krankheiten sind nun mal Krankheiten, die
das eigene Denken stark beeinflussen und in heftigen Phasen
das "gesunde denken" unmöglich machen. Nicht umsonst gelten
ja die meisten psychisch Kranken in der Akutsituation als
unzurechnungsfähig. Sie sind es nämlich meist auch.
Akut manische/depressive/psychiotische Menschen sind einfach nicht
in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen, schon gar nicht
Entscheidungen, die man nicht wieder korrigieren kann (wie eben ein
Suizid). Wenn sie das wären, wären sie ja nicht krank, sondern nur
"schräg drauf" oder sowas. Wie kann man das ernsthaft bezweifeln ??
> Ich hoffe, das wird jetzt nicht nur im Affekt
> durchgelesen und sich geärgert, sondern dass der
> oder die Eine oder Andere anfängt, sich
> intensiver mit der anderen Seite zu beschäftigen.
Also, ich weiß ja nicht, wem du unterstellst, das er sich nicht mit der
anderen Seite beschäftigt, aber ich hab mich sowohl mit der
"Zurechnungsfähigkeit" als auch dem Tod auseinander gesetzt und
das aus allen mir möglichen Sichten und zwar ausgiebig und intensiv.
Desweiteren war ich schon mehrfach so gut wie tot, nicht nur wegen
der Bipo und gerade deshalb sehe ich den Wert des Lebens wohl ein
wenig anders. Neben der Sicht als Betroffener und Angehöriger gibt es
ja auch noch die Sicht als Arzt, als "Neutraler" und die der "Unwissenden".
Jedenfalls bin ich weder verärgert noch affektiv, während ich das hier
schreibe, sondern einfach nur einer bestimmten Meinung, die ich
für menschlicher halte und für die ich auch immer wieder eintreten werde.
lg
zuma
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Wenn dich der Mut verlässt, gehste halt alleine weiter.
Und wenn du deinem Gefühl folgst, nimm deinen Verstand mit.
Wenn du nicht weißt, wohin du willst, ist es egal, welchen Weg du nimmst.
Wissen nutzt nur wenn man es anwendet.
Vielleicht wird alles vielleichter