Heike schrieb:
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> Deshalb ist vielleicht der erste Schritt, das
> Leid, die Angst und die Verzweiflung des jeweils
> anderen anzuerkennen, indem man ggf. auch mal die
> Perspektive des Anderen versucht einzunehmen.
In den meisten Fällen erkennen die, die dem Betroffenen
helfen wollen, schon sehr gut und genau, das dieser
leidet und verzweifelt ist und Angst hat. Dein Satz ist
eine indirekte Beleidigung von Angehörigen, die ja dem
Satz zu Folge das Leid des Betroffenen nicht anerkennen.
Reichlich harter Tobak ..
> Dass es auch anders geht, zeigen Kliniken oder
> andere Einrichtungen, die ihre ganze Struktur, ihr
> Selbstverständnis und Leitbild in einem Prozess
> geändert haben. Recovery-Orientierung,
> Transparenz und Augenhöhe sind dafür einige
> Stichworte auch in akuten Situationen, wo ggf.
> auch Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen
> für eine kurze Zeit getroffen werden müssen.
Die "Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen" sind
ja nix anderes als Zwang, nur bissl netter formuliert. Und
genau diesen notwendigen Zwang als Folter zu bezeichnen,
ist nicht nur falsch, sondern verspottet jedes "echte" Folteropfer.
> Dabei wird versucht immer einen Spielraum zu
> schaffen, wo der Betroffene selbst Entscheidungen
> treffen kann oder so schnell wie möglich wieder
> in diese Situation gebracht wird, auch wenn dieser
> Mensch noch immer im akuten Zustand ist.
Es wird versucht ... und wenn der dann nicht mitzieht, gibt
es eben auch wieder die Zwangsbehandung.
> Es wird immer schwierig bleiben zu beurteilen,
> wann jemand nicht mehr Entscheidungsfähig ist.
Nee, das sehe ich nicht so. Wenn jemand ganz offensichtlich
in einer Manie/Depri/Psychose (oder Gemisch davon) steckt,
die soweit fortgeschritten ist, das ein Klinikaufenthalt notwendig
wird, ist es schon sehr klar zu definieren, ob jemand noch
"gesunde Entscheidungen" treffen kann oder eben nicht.
> Bzw. geht es vielleicht darum, im welchem Kontext
> dieser Mensch nicht mehr klar entscheiden kann.
> Ihm generell alles abzusprechen in akuten Zeit ist
> auch zu einfach, da gilt es sich damit wirklich
> auseinander zu setzen.
Wie gesagt, wenn die "Klinikreife" Phase erreicht ist, gibt
es in meinen Augen keine nicht durch die Krankheit verfärbte
Denke im Kopf des Betroffenen mehr. Natürlich ist man dann
nicht vollkommen "meschugge", aber man ist eben auch nicht
mehr die Person, die man normalerweise ist. Ich jedenfalls
möchte zwangsbehandelt werden, wenn ich (mal wieder nicht
einsichtig) dabei bin, mein Leben an die Wand zu fahren.
> Wenn jemand in einer akuten Situation ein
> Medikament ablehnt, muss dass nicht immer nur mit
> Krankheitsuneinsichtigkeit zu tun haben.
Wenn er ein bestimmtes Medikament ablehnt, stimme ich
dir zu. Wenn er jedes Medikament ablehnt, nenne ich und
viele andere das Krankheitsuneinsichtig. Das gleiche gilt
für alle anderen Behandlungsarten.
Komisch ist, das es fast immer die Maniker sind, die sich
gegen eine Behandlung sperren und "laut schreien", das sie
"gefoltert" werden. Wenn jemand vom Brückengeländer
weggeholt wird und wg. akuter Suizidgefahr ebenfalls
zwangsbehandelt wird, ist das dann ja nach der Lesart hier,
keine lebensrettende Hilfe, sondern Folter gegen den Willen
des Betroffenen. Welch eine Perversion.
Ich glaube, da muss man immer im Einzelfall genau hingucken
und entscheiden, Wird jemand fixiert/sediert, weil auf der Station
derzeit Personalmangel herrscht, ist das ungerechtfertigter Zwang und
scharf zu verfolgen, auch strafrechtlich. Wird man aber fixiert/sediert,
weil man unberechenbar und evtl. gar gewalttätig gegen Mitpatienten
oder Personal die Station unsicher macht, ist der Zwang durchaus
angebracht wenn nicht gar zwingend erforderlich, um eben Schaden
von anderen abzuwenden. Die haben nämlich das Recht, vor einem
akut Erkranktem geschützt zu werden. Die Freiheit eines jeden
einzelnen hört nämlich da auf, wo die Freiheit der anderen beschnitten
wird. Es wird immer schnell von Folter gesprochen, aber das Ausleben
einer Phase kann für das Umfeld des Betroffenen ebenfalls eine Folter
sein, das kann man hier im Forum reichlich oft nachlesen.
Zwang und Sachzwang sind eben zwei ganz verschiedene Paar Schuhe,
die hier kräftig vermischt werden. Komischerweise, und ich wiederhole mich,
ist das Verhindern eines Suizids in den Augen der meisten kein Zwang, dabei
hab ich doch in dem Moment den freien Willen, mich weg zu machen.
Man stelle sich auch mal vor:
Der Maniker kommt hochmanisch in die Klinik und da es ja keine Zwangsbehandlung
gibt, darf der sich dort im "geschütztem Rahmen" ganz ungeniert ausleben ???
Und am besten hat das Personal dort auch bei jedem, egal wie verrücktem Wunsch
des Betroffenen diesen zu respektieren oder gar dem unbedingt Folge zu leisten ??
Wenn das die "ideale" Psychiatrie sein soll, dann man gute Nacht. Dann können
wir die auch gleich abschaffen.
lg
zuma
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Wenn dich der Mut verlässt, gehste halt alleine weiter.
Und wenn du deinem Gefühl folgst, nimm deinen Verstand mit.
Wenn du nicht weißt, wohin du willst, ist es egal, welchen Weg du nimmst.
Wissen nutzt nur wenn man es anwendet.
Vielleicht wird alles vielleichter
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 20.03.17 08:52.