Hallo,
ich denke, sowohl ein Mensch der durch eine oder mehrere heftige Klinikerfahrungen ein oder mehrere Kliniktraumen zurückbehalten hat und meist damit zu tun hat, dass dieses Empfinden und die Erfahrung bisher nirgendwo Platz gefunden hat, dessen Leid oftmals weggewischt oder sogar sein Erleben angezweifelt wurde, die Emotionalität in der Diskussion zu verstehen ist.
Wie eben auch die Emotionalität eines Angehörigen zu verstehen ist, der manchmal hilflos mit ansehen muss, wie das Leben seines betroffener Angehörigen gerade den Bach runter geht und nicht weiß, wie er das jemals wieder auffangen kann. Gerade wenn es um nahe Angehörige geht.
Deshalb ist vielleicht der erste Schritt, das Leid, die Angst und die Verzweiflung des jeweils anderen anzuerkennen, indem man ggf. auch mal die Perspektive des Anderen versucht einzunehmen.
Es gibt auch heute noch Klinikstrukturen, die eine vor allem nachhaltige Genesung erschweren und in denen manchmal zu schnell und vor allem nicht transparent zu heftigen Maßnahmen gegriffen und hinterher auch nicht bearbeitet werden.
Dass es auch anders geht, zeigen Kliniken oder andere Einrichtungen, die ihre ganze Struktur, ihr Selbstverständnis und Leitbild in einem Prozess geändert haben. Recovery-Orientierung, Transparenz und Augenhöhe sind dafür einige Stichworte auch in akuten Situationen, wo ggf. auch Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen für eine kurze Zeit getroffen werden müssen.
Dabei wird versucht immer einen Spielraum zu schaffen, wo der Betroffene selbst Entscheidungen treffen kann oder so schnell wie möglich wieder in diese Situation gebracht wird, auch wenn dieser Mensch noch immer im akuten Zustand ist.
Es wird immer schwierig bleiben zu beurteilen, wann jemand nicht mehr Entscheidungsfähig ist. Bzw. geht es vielleicht darum, im welchem Kontext dieser Mensch nicht mehr klar entscheiden kann. Ihm generell alles abzusprechen in akuten Zeit ist auch zu einfach, da gilt es sich damit wirklich auseinander zu setzen.
Wenn jemand in einer akuten Situation ein Medikament ablehnt, muss dass nicht immer nur mit Krankheitsuneinsichtigkeit zu tun haben.
Im Statement der DGBS ist auch von einem trialogisch besetzem Gremium die Rede und unabhängige Besuchskomissionen, um eine bessere Möglichkeit zu schaffen, Hilfe zuführen zu können, mit möglichst wenigen Zwangssituationen und eine statistische Erhebung zu führen.
Wenn eine Pflegeleitung zu dem Schluss kommt, dass sich etwas im Millieu der Station geändert hat und die Eskalation zurückging, nachdem Änderungen durchgeführt und unteranderem auch Genesungsbegleiter (Experten aus Erfahrung) auf den Stationen eingesetzt wurden, sagt das für mich schon viel aus.
Es geht auch Anders und dahin sollten wir streben ohne das erlebte des Anderen zu minimieren.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).