Wer die Diskussion hier neu liest, könnte fälschlicherweise zu dem Schluss kommen, es ginge bei der Petition um mehr Handhabe für Zwangseinweisung. Wenn ich das richtig gelesen habe, ist das Gegenteil der Fall.
Es geht darum, dass "aufsuchende Hilfen" angeboten werden, auch wenn der Betroffene es (erstmal) nicht möchte. Das ist ja nun nichts Ungewöhnliches, dass psychisch kranke Menschen, egal ob gerade manisch, depressiv, schizophren etc. Hilfen ablehnen aufgrund ihres verschobenen Gedankenkonstrukts.
Meine Güte, wer kennt das nicht, dass man vorerst etwas ablehnt und hinterher sagt, gut dass ich das doch gemacht habe.
Hieraus in der Diskussion einen Zwang in der Petition abzuleiten hat imho schon was leicht Paranoides.
In der Petition heißt es
„Das psychiatrische Versorgungssystem ist weiter zu entwickeln. Es sind aufsuchende Hilfsangebote zu schaffen. Es sind auch dann Hilfen anzubieten, wenn der psychisch kranke Mensch sie nicht selbst anfordert oder zunächst sogar ablehnt. Ziel muss sein, ohne Zwang die Zustimmung des kranken Menschen zu einer Hilfe zu erreichen.“
www.lapk-hamburg.de/index.php/aufruf-aufsuchende-behandlung-staerken
Im November 2016 beschloss der Deutsche Bundestag ein Gesetz (PsychVVG), welches den Kliniken die Möglichkeit zur Behandlung schwerkranker Menschen zu Hause eröffnet. (Hometreatment). Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber er genügt keinesfalls. Auch wird die praktische Umsetzung des Hometreatment ein Prozess von mindestens einem Jahrzehnt sein.
Weitere in der Psychiatrie tätige Institutionen und Berufsgruppen, z.B. der öffentliche Gesundheitsdienst, die sozialpsychiatrischen Einrichtungen, die niedergelassenen Fachärzte und die Soziotherapeuten, müssen an den systemübergreifenden aufsuchenden Hilfen beteiligt werden.
Im Juni 2016 haben sämtliche Verbände der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen in Deutschland in einer Resolution gefordert:
„Wir fordern alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, im Bund, in den Ländern und den Kommunen auf, ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge für psychisch erkrankte Bürger nachzukommen und die notwendigen zukunftsfähigen Strukturen zu schaffen, die auch Hilfen für die betroffenen Familien vorsehen“.
Wie das Modell des Hometreatment an den großen Krankenkassen scheitern kann, habe ich vor einigen Jahren anhand einer fortschrittlichen Psychiatrie im Land Brandenburg erlebt. Das war erschütternd und ernüchternd. Das Konzept war jahrelang vorbereitet in jeder Hinsicht, auch in wirtschaftlicher. Und dann wird es abgeschmettert.
Alles Gute
Friday
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Nicht alles, was schwankt, ist bipolar.
Hätte ich die Kraft nichts zu tun, ich täte nichts.
Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.