Hallo RealLife,
ich kann mich da Friday nur anschließen, kann aber auch dich in deiner momentanen Situation verstehen. In einer Depression, die gefühlt schon zu lange dauert Geduld zu haben, ist extrem schwer.
Auch ich war in einer mittleren bis schweren Depression nicht fähig, die früheren Aktivitäten, die mir Freude brachten auszuführen. Ich kann verstehen, dass dieses "Dasein" für deine Tochter schon sehr viel Kraft in Anspruch nimmt und es ist schon gut, dass du diese "Struktur" bereits als etwas wahrnimmst, was dich nicht ganz abrutschen lässt.
Mein Erfahrung bzgl. Medikamente ist ebenfalls jene, dass es oft sehr lange dauert, bis man für sich ein Medikament oder Kombi gefunden hat, die eine gute Balance zwischen NW und Wirkung aufweist. Allerdings zu Glauben, dass die Medikamente nun allein ausreichen, um einerseits sich aus der Depri zu bewegen und andererseits langfristig Stabilität zu erhalten, wird zum Frust führen.
Medikamente können viel bewirken, aber sie benötigen zusätzlich noch mein eigenes Zutun, um mich aus der Depri zu drehen und stabil zu bleiben. Mich mit dieser Störung auseinander setzen, dahinter zu kommen, wie ich und meine Störung zusammen "ticken" und was ich selbst tun kann, um dem entgegen zu wirken, ist der andere Teil der Miete, die es zu einem Gelingen bringen.
Natürlich wird Spazieren gehen, nicht gleich die Depri aufheben, aber schon die kleineren Aufhellungen, die man für sich hinbekommt, sind viel Wert und zeigen einem, dass es doch irgendwann möglich ist, wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Und reihen sich die "Aufhellungen" immer mehr aneinander, könnte es ein Steigbügel, neben einer Medikation sein, die Dir verhilft, eine Stufe höher zu steigen und es Dir ein wenig besser geht.
Klar ist es in einer Depression schwer, wenn jemand sagt, "naja, da gibt es durchaus auch einen Grund, warum sie so traurig sind". Letztlich hilft es einem zunächst nicht weiter aus der Depression. Andererseits macht es darauf aufmerksam, dass Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Mutlosigkeit auch ganz normale Gefühle sind die z.B. auch zum Liebeskummer passen und das soetwas eben auch seine Zeit braucht, bis man diese Erfahrung verarbeitet hat und das Antidepressiva eben auch ihre Grenzen haben. Wie schon gesagt, sie können Steigbügel sein (wenn man ein passendes für sich gefunden hat), aber es bleibt einem nicht ersparrt seine Lebensinhalte selbst zu bearbeiten.
Ich wünsche Dir viel Kraft und Durchhaltevermögen!
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.17 16:07.