Hallo an alle,
auf dem Weg der Genesung war für mich mit eine der größten Schwierigkeiten, zu unterscheiden,
zwischen der Bipolaren Störung - die bei mir erst mit 47 Jahren ausgebrochen ist - und mir als Person.
Bis auf wenige Ausnahmesituationen hat die Erkrankung bzw. deren Verlauf selten dem Lehrbuch entsprochen.
Dadurch war ich sehr unsicher und meine Angst davor, erneut akut zu erkranken, hat mich oft als krankhaft ein-
schätzen lassen, was mein Doc im nachhinein mit "völlig normal" kommentierte.
Rückblickend als schräg bzw. krankhaft verzerrt kann ich Denk- und Verhaltensweisen erkennen, die aus meinem Auf-
wachsen in einer alkoholkranken Familienstruktur resultieren und mir schon vor dem Ausbruch der Bipolaren Störung
das Leben schwer machten. Daran habe ich gearbeitet und tue es weiterhin.
Wie ich in meinem anderen Baum schon schrieb, bin ich nun leider aufgrund der zurückliegenden psychischen Belastungen wieder auf die alten, mehr als mein halbes Leben eingetrampelten Pfade, geraten. Und irgendwie finde die Abzweigung auf
den neuen, gesünderen Weg derzeit nicht.
... und damit beschäftigt und belastet mich erneut die Frage:
Was ist krankhaft, was ist nachvollziehbar und "normal" im Sinne von einer gesunden Reaktion auf ...?
Zuletzt machte mich mein Doc darauf aufmerksam, dass ich mich zu genau beobachte und vieles wahrnehme (und falsch bewerte?) und mich dadurch letztendlich selbst verunsichere.
Angefangen hat das, dass ich mich unglücklicherweise mit meinen Nachbarn vergleiche.
Wieso tragen sie nach dem Verlust ihrer Wohnung, einfach ihre Möbel von A nach B und leben ihr Leben - so als ob nichts passiert wäre - einfach weiter? Wieso haben sie wenige Tage nach dem Tod ihres Hundes, einen neuen - so als ob nichts Aussergewöhnliches geschehen ist? Wieso kann eine Nachbarin entscheiden, alles Schmerzliche einfach nicht mehr an
sich heranzulassen?
Wieso schaffen die Nachbarn so leicht, womit ich mich nun gefühlt schon viel zu lange rumquäle?
Mein Doc hat mir dazu gesagt: "Es gibt Menschen, die sind so. Und sie sind eben anders!"
Das tröstet mich aber nicht.
Ich bin derzeit total neidisch auf diese (scheinbar?) gelebte Leichtigkeit, die mir vollkommen fehlt.
Danke für's Lesen!
Viele Grüße
Deborah
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Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.
Lerne erst laufen,
bevor du versuchst zu rennen.
("zeitzuleben", Ralf Senftleben)
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1-mal bearbeitet. Zuletzt am 20.08.16 09:28.