Re: Wut und Zorn

17. 07. 2016 14:17
Großes Thema bei mir, ganz großes Thema.
Und es ist immer noch nicht gelöst, ich komme immer wieder in solche Phasen. Dieses Jahr war ich wegen sowas 5 Wochen krank geschrieben.
Schwierig ist für mich die Gratwanderung zwischen "ich muss einfach runterkommen" und "ich muss mich jetzt verdammt nochmal wehren".
Verdammt nochmal wehren muss man sich halt, wenn man vorher zuviel schluckt.

Ich denke immer, die anderen kriegen schon mit, dass ich mich hier zurücknehme, die kriegen schon mit, welch Zugeständnisse ich mache, die kriegen schon mit wie zuvorkommend ich bin... nix kriegen die mit, die sind mit sich selber beschäftigt und daher gibt es von diesen mir selbstverständlichen Feinheiten selten etwas zurück. Im Gegenteil, bleiben sie aus, werden sie auch noch eingefordert - der Mangel fällt dann sofort auf und es wird nachgefragt, was bei mir nicht stimmt... aaaaaaaargh!

Ich scheine, wenn ich so drauf bin, wie du es beschreibst, für Kollegen schwer zu ertragen zu sein. Ist es mein Geschimpfe? Hmnja, hmnja... ich bin zu dem Schluss gekommen, das Geschimpfe könnten sie, wenn sie wollten, ausblenden. Eher ist es so, dass ich anderen gerne ihre Illusionen raube, weil ich Sachverhalte und Zusammenhänge äußerst scharf auf den Punkt bringe, bzw. den Finger so spitz in die Wunde lege, dass mancher meint, ich habe die Wunde erst verursacht, da sei vorher gar nichts gewesen.

Seit mir das einigermaßen klar geworden ist, kann ich besser zu meiner Wut stehen und vertrete sie hartnäckiger. Das ist anstrengend aber auf lange Sicht gesünder. Eine Gehaltserhöhung gab es auch, weil ich dran geblieben bin, schmipfend.

Und dann bin ich auch noch sparsam mit Lob. Ich lobe niemanden für die einfachsten Sachen. Wenn mich jemand loben würde, dass meine Nudeln immer so schön al dente sind, würde ich mir verarscht vorkommen. Aber die anderen scheinen wirklich wie Hündchen für jedes Stöckchenholen Lob zu erwarten. Und sind irritiert, wenn ich ein Gesicht ziehe, wenn sie mir irgendwas nettes sagen, nur, um mir was nettes zu sagen.... ich brauch das nicht. Brauchen andere das wirklich so sehr, diese dauerweichgespülte Harmonie untereinander, mal ehrlich, mich ekelt davor. Würde ich da einfach so mitmachen, wie die anderen es erwarten, ich würde wahrscheinlich einen Duschzwang entwickeln.

Ich hab gemerkt, ich muss an vielen Stellen klare Verhältnisse schaffen, auch wenn das den anderen unbequem ist oder die sich wundern, weil sie mich immer ganz falsch eingeschätzt haben... deren Problem, vielleicht kommen die besser mit mir klar, wenn sie wissen, woran sie mit mir sind.

Aktuell ist das z.B. die Stimmung auf Arbeit: ich hab das ganze letzte halbe Jahr so geschimpft, dass der Laden Struktur braucht und Professionalität, dass mich alle gehasst haben. Ich hab aber nicht locker gelassen. Inzwischen hat der Chef es "eingesehen" (Küchenchef und ich drohten mit Kündigung) und jetzt herrscht sowas wie Aufbruchstimmung und alle kommen sich ein bisschen wichtig vor, während ich mich erstmal zurücklehne und abwarte, ob wirklich was geschieht oder ob sich der Sturm im Wasserglas wieder legt. Im Team haben sie jetzt angefangen, sich gegenseitig zu hypen - weil sie jetzt drauf gekommen sind, dass Veränderung und Verbesserung nottun... anstatt, dass die nun vor mir knien, sich Asche aufs Haupt streuen und sich entschuldigen, dass sie nicht gleich auf mich gehört haben, bilden sie sich nun ein, sie seien von ganz alleine drauf gekommen... das ist mir sogar egal, denn das bin ich seit Jahren gewöhnt. Jetzt kriechen sie sich alle gegenseitig in den A.... wie toll wir sind, wie gut wir uns alle verstehen, wir seien ja eine Familie und blablabla. Die brauchen das vielleicht als Stabilität, jetzt, da sich endlich was ändern soll. Oder manch einer denkt, bevor auffällt, dass er immer alle anderen die Arbeit machen lässt, macht er sich durch klebrige Freundlichkeit unentbehrlich... ich weiss auch immer nicht, wie die ticken. Früher hätte ich nichts dazu gesagt und hätte mich in Duldungsstarre vereinnahmen lassen. Nicht gut.

Aber ich hab dazugelernt. Es passt den Kollegen natürlich gar nicht, dass ich mal wieder alles miesmache. Aber als es hieß, wir sind eine Familie, da hab ich gleich ganz laut STOPP gerufen.
Fast jedes Gastroteam bildet sich ein, ganz besonders zu sein. Das gehört dazu. Einerseits kompensiert man so die harte Arbeit und den Stress und andererseits die Tatsache, dass die anderen Freunde nicht mitten in der Woche bis früh um fünf Wein trinken können, weil sie normalen Jobs nachgehen. Dann sind viele Studenten dabei, die sich schon für wer weiss was besonderes halten, nur weil sie mal für zwei Stunden Verantwortung übertragen bekommen und weil sie überhaupt arbeiten gehen. Wie das halt so ist mit 23, wenn Papi immer noch als Sicherheit im Hintergrund mit Überweisungen wedelt und so ein Ausflug in die Arbeitswelt was eskapistisches hat.

Ich kenne das schon zu genüge aus dem anderen Laden, wo ich gearbeitet hab. Da waren auch alle eine Familie und ich hab das geglaubt. Als dann einer unserer Kollegen mit einem Aortariss und mehreren Schlaganfällen nach vier Wochen Koma und zwei Wochen Intensivstation wieder ansprechbar war, was glaubt ihr, wieviele haben ihn besucht? Zwei Leute. Ich fast wöchentlich und ein einziges Mal jemand anders. Ich hab die Leute buchstäblich angebettelt, ihn zu besuchen, weil die Ärzte gesagt hatten, das sei sehr wichtig, damit die Synapsen sich wieder korrekt zusammenknüpfen. Keiner war bereit. Keiner.

Oh, ich schweife ab... jedenfalls ist das grade das Thema, was den nächsten Zorn bei mir aufbauen könnte. Daher hab ich gleich gesagt: Stopp! Ich gehöre hier keinem, ich bin nicht eure Schwester, wir sind keine Freunde, der Chef ist nicht mein Kumpel. Wir sind Kollegen, nicht mehr, nicht weniger.
Gestern hatte ich das erst wieder. Und, hab ich dann gesagt: Wie oft trefft ihr euch privat? Die Kellnerin, die alle soooo super fanden, unsere beste Freundin... habt ihr sie mal besucht da, wo sie jetzt arbeitet? Nein? Ach so? Aus den Augen aus dem Sinn? Na sowas!
Beliebt mach ich mich damit nicht, aber die Verhältnisse sind klar und das entlastet mich.

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass ich inzwischen gelernt habe, mehrmals am Tag laut STOPP zu sagen.

Wenn sich der Zorn aber schon vor dem Aufwachen in meiner Kehle ausgebreitet hat und ich auch zu Hause stundenlang schimpfe, mit allen, die mir in den Sinn kommen, dann muss ich auch was machen.
Draußen rummarschieren, im Stechschritt und mich nicht so drum kümmern, dass ich alle hasse - es ist dann halt so und ich kucke dann auch so finster, dass mir kaum einer blöd kommt. Wenn doch, dann ist halt mal jemand fällig. Jemand unschuldiges, den ich nicht kenne, den ich nie wieder sehe. Mit Vorliebe natürlich Leute, die anfangen, mich anzupampen oder mich anrempeln oder sich vordrängeln; die kommen mir dann wie gerufen, um meinen Frust mal abzulassen.

Wenn es gar nicht mehr geht, dann muss ich ein Neuroleptikum nehmen.

Hilft dir das?
Sumosimi

Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Wut und Zorn

yela 1315 16. 07. 2016 18:32

Wut und Zorn ernst nehmen

schlaf 558 16. 07. 2016 19:11

Re: Wut und Zorn ernst nehmen

yela 538 16. 07. 2016 21:47

Re: Wut und Zorn

Polmaz80 501 16. 07. 2016 19:33

Re: Wut und Zorn

yela 720 16. 07. 2016 21:58

Re: Wut und Zorn

tough 522 16. 07. 2016 21:09

Re: Wut und Zorn

yela 499 16. 07. 2016 21:35

Re: Wut und Zorn

tough 459 16. 07. 2016 21:51

Re: Wut und Zorn/ Ärger -die kleine Schwester von Wut

Irma 449 17. 07. 2016 13:21

Re: Wut und Zorn/ Ärger -die kleine Schwester von Wut

Sumosimi 523 17. 07. 2016 13:38

Re: Wut und Zorn/ Ärger -die kleine Schwester von Wut@Sumo

Irma 469 17. 07. 2016 13:45

Re: Wut und Zorn

Sumosimi 615 17. 07. 2016 14:17



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