Guten Morgen,
ich bin seit Jahren phasenweise eine stille Mitleserin, Anfang 40 und seit 18 Jahren bipolar diagnostiziert. Medikamentös für mich stimmig und glücklich eingestellt und unkonventionell in der eigenen Lebensgestaltung.
Mehrere Beiträge in letzter Zeit haben mich zu dieser Anmeldung veranlasst, da sich in mir schon langfristig eine Frage auftut, die ich mir selbst nur eingeschränkt beantworten kann.
Daher hoffe ich auf eure Erfahrungen, Eindrücke und Kommentare.
In den letzten fast 20 Jahren habe ich mehrfach den Versuch gestartet, ein Leben zu führen, wie man es sich, medial und sozial geprägt, vorstellt. Eigentumswohnung, glückliche Paarbeziehung und eine erfüllende Arbeit.
Den ersten und den letzten Punkt konnte ich voller Stolz vor zehn Jahren für mich als geschafft, abhaken.
Am zweiten Punkt scheiterte ich bis dato auf Grund vieler Depressionen und Mischphasen. All meine bisherigen Paarbeziehungen scheiterten letztlich an meiner Erkrankung oder meinem Verhalten, welches daraus resultierte. Es gab verletze Partner, coabhängige Partner, tieftraurige Partner, selbstzweifelnde Partner kurz vor dem Selbstmord, Partner kurz davor mich nebst meiner Diagnose noch kränker zu machen. Ein volles Programm welches ich für mein Seelenheil nicht mehr aushalten mag. Ich entscheide für mich, nicht mehr das Leid eines Anderen zu verursachen.
Vor 8 Jahren habe ich mich aus dieser Erkenntnis heraus entschlossen eben diesen Punkt für mich umzugestalten: Kurze Affären mit gegenseitigem Einverständnis, alle eingegangen mit dem Wissen, dass ich bipolar bin. Etwas das mich glücklicher macht, da ich aus meiner Vergangenheit schöpfend sagen kann, ich bin mit meiner Erkrankung Gift für einen festen Partner. An dieser Stelle bitte ich darum, das als MEINE Erkenntnis zu sehen, diese ist nicht auf jeden umlegbar, weswegen ich auch Niemanden angreifen möchte der in seiner Bipolarität eine glückliche Partnerschaft führt.
In diesen acht Jahren kam es nun allerdings auch vor, dass ich mir mit manchen Affären eine Beziehung gewünscht hätte. Auch die Affären wären bereit dazu gewesen. Kurz vor dem entscheidenden Punkt allerdings, habe ich meinen Paarbeziehungsschalter umgelegt, weil ich bemerkt habe der Auserwählte ist nicht stark genug mich in meinen Phasen auszuhalten oder unterstützen zu können, auch wenn dieser das in dem Augenblick anders sah. Ich trat den Rückzug an um letztendlich mich davor zu bewahren wieder Gift zu werden und brach Kontakte ab, weil ich es mit meinen Emotionen für mein Gegenüber nicht ausgehalten hätte, weiterhin Kontakt zu pflegen.
Ist es legitim zwischenmenschliche Abbrüche vorzunehmen, weil man entscheidet, das Gegenüber hat die Kraft nicht/nicht mehr? Darf ich für diese meine Affären entscheiden, wenn diese glauben es mit dem weiten schillernden Spektrum meiner Erkrankung aufnehmen zu können, ich aber schon am Anfang sehen kann, dass sie bereits an Kleinigkeiten zerbrechen zu drohen?
Ich sehe es als meinen eigenen Schutz, weil ich keine coabhängigen, zerbrochenen Partner mehr ertragen könnte und mich das wieder in tiefe Trauer und eine Depression stürzen könnte. Angehörige die in den letzten Wochen geschrieben haben, sehen diese Abbrüche und Rückzüge allerdings als zerstörerisch und unverständlich, weil sie doch lieben wollen und alles mit diesem einen bipolaren Partner so schön sein könnte. Abbrüche sind auch für mich schwer zu ertragen, aber immerhin leichter als ein zerstörtes Ex-Partner- oder Kinderleben.
Gerne eure Meinungen dazu.