Hallo Friday,
lange hab ich überlegt in welchem Baum ich meine Antwort schreibe, in deinem oder in Heike`s.
Die vermeintlich gegensätzliche Fragestellung beschäftigt mich seit Tagen.
„Die Gründe sind vielfältig„ schreibst du, das ist mein Problem.
Sowohl die Gründe für Verständnislosigkeit oder Ignoranz als auch für übergriffiges, distanzloses Überbetütteln den Betroffenen gegenüber.
Ich bin schon eine von den Angehörigen über die Heike schreibt:
Es ist natürlich einerseits verständlich und andererseits kann es durchaus für beide Seiten gut sein, wenn sich der Angehörige über die bipolare Störung informiert. Nur manches mal habe ich den Eindruck, dass die Motivation des sich Informierens nicht mehr darin liegt, um für sich als Angehöriger einige Fragen zu klären, sondern gar zum Experten dieser Störung zu werden. Dabei fangen manche Angehörige dann an, regelrecht alle möglichen Fachbücher zu wälzen, mit Fachleuten zu sprechen und Fachvorträge sich anzuhören. Es macht den Eindruck eines unglaublichen Engagements.
Ich beschäftige mich tatsächlich viel, vielleicht auch wirklich zuviel mit der BS seit mein Sohn daran erkrankt ist. Lese Bücher, bin im Forum(als einzige in der Familie), hab mir Vorträge angehört und ein Angehörigenseminar besucht.
Nicht nur für mich, sondern auch um das ganze Drama zu verstehen und nicht aus schlichter Unwissenheit Fehler zu begehen die für meinen Sohn vielleicht schwerwiegende Konsequenzen hätten.
Wie z.B. Dinge zu raten die einfach falsch sind.
Und um zu verstehen, ja ich interessiere mich.
Für mich heißt das nicht, dass ich mich total aufopfere für mein Kind. Das Eine zieht nicht automatisch das Andere Verhalten nach sich.
Natürlich schon das Elternding das viele nicht verstehen. Beide Kinder wissen dass sie im Notfall immer auf uns Eltern zählen können.
Aber ich kenne auch die andere Seite. Das Verleugnen, nicht wissen wollen, und das fehlen jeglichen Mitgefühls für den Kranken. Ja, gar nicht auf die Idee kommen, dass es schlicht eine Krankheit ist.
Als ich meinen Mann kennenlernte haben mich alle Familienmitglieder darauf aufmerksam gemacht, dass „der Alte“ spinnt, man darum auch eigentlich fertig mit ihm wäre.
Sie hatten alle bis auf die Jüngste eine furchtbare Kindheit. Einen unbehandelten Bipolaren der seine Stimmungen weitestgehend ungebremst an seinen Kindern ausgelassen hat. Erst spät hat er eine Diagnose und entsprechende Behandlung erhalten.
Es ist lange her und viele Wunden sind inzwischen verheilt, aber nicht alle.
Seine erwachsenen Kinder werfen ihm auch heute oft noch seine Antriebslosigkeit vor und regen sich über ihn auf.
Er ist ein Ritter von trauriger Gestalt, mein Schwiegervater. Ein Leben lang stigmatisiert und verachtet. Ich frage mich oft um wie viel besser sein Leben gewesen wäre, wäre er nicht vor 65 Jahren erkrankt sondern heute.
Wie viel hätte es auch den Kindern gebracht, wenn meine etwas einfältige Schwiegermutter in der Lage gewesen wäre es als Krankheit/Diagnose für die Kinder zu erklären.
Naja sie mögen alle ihren Neffen sehr und haben sehr viel Verständnis und Interesse für seine Krankheit und das ganze Drumherum, obwohl sie alle sich nie mit "dem Wahn " vom Alten beschäftigen wollten oder konnten.
Ich klugscheiße manchmal bisschen über die BS und erinnere dass der Alte ja tatsächlich nix anderes hat und lehne mich dann zurück und schau ein wenig schadenfroh zu wie sie mit ihrem festgefahrenen Vorurteilen dem Vater gegenüber und der Empathie für den Neffen ringen.
Ich glaube Verständnislosigkeit und sich nicht interessieren sind Masken die, je nach Beziehungs- und Lebensgeschichte ganz viel mit der Angst selber zu erkranken, es auch geerbt zu haben und sehr viel mit Schuldgefühlen zu tun haben.
Macht es das Glück selber nicht erkrankt zu sein nicht noch schaler wenn mein Bruder/Schwester sichtbar leidet?
Mein Kind ist nicht krank, also hab ich auch nichts falsch gemacht, versäumt verpasst.
Oft ist es das „es kann nicht sein was nicht sein darf“.
Oder ein schlechtes Gewissen, weil es einem einfach gut geht und manche Leute das nicht gerne zugeben.
Und, oft uneingestanden, wissen/fühlen auch wir „gesunden“ wie schmal er ist, der Grat, der psychische Gesundheit heißt.
Kins