Hi Bambus,
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> Der Zugang zur Religion kann sich auch im Laufe
> des Lebens verändern.
> Warum manche Menschen religiös sind oder in
> Phasen ihres Lebens religiös sind, dazu fällt
> mir jetzt gerade nicht sehr viel ein, würde mich
> auch interessieren, diesbezüglich mehr zu
> erfahren!
> bambus
Na, nichts leichter als das.
Es versteht sich natürlich von selbst, dass es eine Fülle von Gründen gibt, warum Menschen der Religion entweder zu oder abgeneigt sein können und die kann ich natürlich nicht alle in ein kleines Posting quetschen. Darüber haben andere Menschen ja schon ganze Bücher geschrieben.
Daher vielleicht für den Anfang erstmal ein sehr simpler Grund, warum manche Menschen nichts mit Religion anfangen können:
Der Mangel an Beweisen.
Ein Mensch, der viel wert auf konsistente, beweisbare (und am besten bewiesene) Behauptungen legt, wird die Religion schnell in den Mülleimer verfrachten, denn Beweise konnte und kann sie nicht liefern.
Das Gotteskozept als solches ist so aufgestellt, dass es weder bewiesen, noch gegenbewiesen (Fachwort: falsifiziert) werden kann. Es bewegt sich somit außerhalb der Logik und wer die Logik als Instrument der Lebensfindung oder Lebensführung an oberster Stelle der eigenen Wertekette hat wird das kaum tolerieren, jedenfalls nicht in seinem eigenen Kopf.
Das wars dann mit dem Glauben.
Zu dieser Gruppe gehöre ich derzeit.
Vor etwa 10 Jahren dagegen gehörte ich noch dem stark spirituellen Lager an. Ich glaube damals an verschiende Formen des Willworkings, also Magie, so wie man das von Hexen (Wiccans) und den ganzen anderen okkulten Vereinigungen kennt.
Damals legte ich noch viel mehr wert auf Phantasie und das Spiel mit dem Unmöglichen. Der Ausblick eines Tages unmögliche Dinge alleine mit meinem Willen tun zu können war berauschend und faszinierend zugleich. Ebenso war das ein sehr einfaches Modell der Welt.
Und da hätten wir dann einen der vielen Gründe, warum man der Religion zugeneigt sein kann:
Sie ist einfach, simpel, hoffnungsvoll und tröstlich. Man muss nicht hinterfragen, experimentieren, zweifeln und sich durch Erkenntnisse hindurch quälen. Man muss einfach nur glauben und jeden Zweifel weg-kompartmentalisieren. Das ist zuweilen sicher kein Kinkerlitzchen (soll heißen: ich bin nicht der Meinung, dass Glaubenskrisen ein Tag auf dem Ponnyhof sind), aber verglichen mit der bleichen Aussicht, dass es kein ewiges Leben, kein "jeder kriegt was er verdient" und oft keine Hoffnung auf Antworten, ja manchmal überhaupt keine Antworten auf bohrende Fragen gibt, ist die Vorstellung, dass da oben ein großer Papa oder eine große Mama ist, die schon auf uns aufpasst sicherlich der leichtere Weg. Und wen es stark nach Trost und Sinn verlangt, der wird diesen Weg gehen.
Einer meiner Patienten sagte mal, dass er zuerst Philosophie und dann Theologie studiert habe (Er ist dann Pastor geworden). Da ich bis dato des Glaubens war, dass Philosophie, wo sie doch so viel mit Logik arbeitet, zwangsläufig atheistisch machen würde fragte ich ihn, ziemlich verdattert, wie das denn passiert sei. Seine Antwort war einfach: Die Philosophie reichte ihm nicht. Er wollte mehr. Es fehlte ihm in der bleichen Denkschule, die rein die Realität beschreibt, an Erfüllung. Diese fand er in der Religion.
Das ist ein weiterer Grund, der Menschen zur Religion zieht. Sie kann sehr schnell und effektiv Erfüllung liefern. In der Welt der Wissenschaft und Logik muss man diese Erfüllung selbst erschaffen, und das ist lang, schwer und gelingt sehr oft nicht. Da ist die Religion das deutlich wirksamere Mittel.
So, das mal so als kleinen Appetithappen zu diesem an und für sich gigantischen Thema.
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Von Aschenputer bis Napalmdrossel.
Männlich, 37, Bipolar 2, Pregabalin 150mg