Re: Lithiumvergiftung...

23. 03. 2017 00:00
N'abend!

Mir ist es kürzlich auch passiert. Krankenhauseinweisung mit einem in der Notaufnahme gemessenen Maximalspiegel von 3,28 mmol/l. Es kamen gut zwei Wochen Aufenthalt heraus, mit einer Akutphase, in der die Elektrolyte herausgewaschen wurden, dann einer Anpassungsphase, in der Herzmedis (die ich erst seit Mitte Dezember 2016 nehme) umgestellt worden sind und schließlich einer Ausprobierphase, in der die Li-Dosis wieder neu eingependelt wurde.

Vorgeschichte:
Lithium nehme ich seit knapp zwanzig Jahren, Quilonum retard 450 mg. Eine Zeitlang mit 2-0-2 Tabletten, was dann auf 2-0-1 reduziert wurde. Der Li-Spiegel schwankte um 0,8 und die Kontrollen alle 3-4 Monate waren nicht sehr aufregend, da änderte sich nicht viel.

Im Dezember ist bei mir eine Herzinsuffizienz festgestellt worden. Annähernd symptomfrei, aber der Kardiologe von der Echokardiographie sagte, dass es nicht mehr gut pumpt und zwar nicht nur ein bischen. Daraufhin wurde das medikamentöse Standardprogramm für dilatative Kardiomyopatien hochgefahren:
Zwei Blutdrucksenker
- ACE-Hemmer Ramipril
- Betablocker Metoprolol
und zwei Wassertabletten
- Schleifendiuretikum Toramesid
- Kaliumsparendes Diuretikum Spironolacton
sowie eine Aspirin 100 mg.

Ich bin dann ab Weihnachten in ein depressives Loch gefallen, in dem ich viel Zeit im Bett oder auf dem Sofa verbracht habe und mich durch Fernsehn/Internet habe berieseln lassen, um von den Gedanken ablenkt zu werden: Wo kommt das her? Wie sieht die Prognose aus? Was passiert, wenn sich der Status verschlechtet? Welche Auswirkungen hat das auf mein praktisches Leben? Reicht nicht die bipolare Störung als Knüppel zwischen den Beinen aus? Im Nachhinein kann man die Zeit schon als erste Symptome einer Intoxikanation werten. Bekanntermaßen ist das therapeutische Fenster von Li mit 0,6-0,8 mmol/l für die Phasenprophylaxe klein, wenn man es aufpolstert auf bis zu 1,2 mmol/l ist das in einer akuten manischen Phase zulässig, weil es dann antimanisch = depressiv wirkt. Ab 1,5 mmol/l beginnen die Vergiftungserscheinungen.

Meine Schwester hat mir dann ihr Gästezimmer angeboten: 2 Wochen Tapetenwechsel sollten mir guttun, ein bischen Herumbalgen mit meinem kleinen Neffen, Ausflüge in die nahe Natur, Stadttouren in die nahe Großstadt, etc. - das hilft ggf. gegen die depressiven Gedanken. Ausserdem kann mein Schwager sehr gut kochen.

Aus der Antriebslosigkeit bin ich leider nicht herausgekommen und nach ein paar Tagen entwickelte sich ein Durchfall, zusätzlich musste ich ab und zu brechen (gallig - bitter) und es entwickelte sich eine allgemeine Übelkeit. Gegessen habe ich nur noch wenig bis nichts, getrunken auch immer weniger. Eine allgemeine Schläfrigkeit breitete sich aus, so dass ich den halben Tag gerne im Dämmerschlaf im Bett verbrachte. Während einer kleinen Wandertour fiel ich durch häufiges Stolpern auf. Mein Geschmack wurde metallisch stumpf, die Schrift zittrig und die Augen "überblendeten", d.h. es wurde alles deutlich heller wahrgenommen.

Das hat sich meine Schwester ein paar Tage angesehen und mich dann zu ihrer Hausärztin gezerrt. Die hat dann ein EKG angefertigt und ein paar Laborwerte genommen. Recht zügig kam sie zur Empfehlung "Ab ins Krankenhaus". Ich hatte das als übertriebene Maßnahme im Bauchgefühl. Einen Brechdurchfall kuriert man doch zu Hause mit gesüßtem Tee und Knäckebrot aus, oder? Ich fühlte mich nicht gerade wohl, aber nicht sterbenskrank. Ein paar Tage später im Krankenhaus hatte ich dann die Muße, noch mal die Details zur Lithiumvergiftung nachzuschlagen. Ab 3,5-4,0 mmol/l beginnt die lethale Zone. Die ersten anderthalb Wochen bin ich mit einem portablen Herzmonitor herumgelaufen ("kleines EKG mit Funk zum Schwesternzimmer") - wohl nicht nur wegen meiner Herzerkrankung, sondern weil eine Li-Überdosierung auch gravierende Herzrhythmusstörungen auslösen kann. Neben dem Bett lag ein kleiner roter Kasten mit Notfallmedikamenten für den Fall eines epileptischen Anfalls. Betreut wurde ich primär von Internisten des Fachgebietes Nierenheilkunde, weil bei einer Li-Intoxination wohl die Nieren einen Dauerschaden nehmen können. Gottseidank hat dieses Abenteuer weder mit einem Nieren-, Hirn- oder (zusätzlichem) Herzschaden geendet.

Die Behandlung sah so aus, dass zuerst die überschüssigen Li-Mengen mit intravenöser Flüssigkeitszufuhr und moderatem Trinken über die Nieren herausgespült wurden. Das hat 3-4 Tage gedauert. Man hätte auch eine Blutwäsche anordnen können, was schneller gegangen wäre, aber dazu hätte ich in ein anderes Krankenhaus verlegt werden müssen. Als altem Li-Junkie mit stabilem klinischen Zustand hat man mir die längere Prozedur zugetraut. Dann wurden die Herzmedis umgestellt (Ramipril raus, Entresto rein) und geschaut, wie ich das kreislaufmäßig vertrage. Spironolacton und das Lithium pausierten in der Zeit. Als nächstes wurde das Lithium wieder eingesetzt (allerdings nur 0-0-1,5) und geschaut, wie sich der Spiegel einpendelt. Dann kam Spironolacton wieder dazu, und das Li konnte leicht auf 0-0-1 reduziert werden. Jetzt liegt der Spiegel bei ca. 0,6 was ich als ok empfinde, da ich nebenher auch noch 50 mg Quetiapin (unretardiert) zur Nacht einnehme.

Alles Gute,
Kreuzbube
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Lithiumvergiftung...

Malva 15162 22. 10. 2014 17:18

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Sandra 69 3170 22. 10. 2014 18:54

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werner123004 1640 22. 10. 2014 20:00

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Frank77 1439 05. 07. 2016 17:23

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elsbeth 1535 05. 07. 2016 20:31

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Kreuzbube 4254 23. 03. 2017 00:00

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Irma 825 27. 12. 2019 09:32

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Nil 934 06. 06. 2017 14:40

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Supernova21 779 07. 06. 2017 15:34

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tschitta 878 07. 06. 2017 21:01

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Caro_Wien 1360 08. 06. 2017 21:23



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